Besser als Chihiros Reise ins Zauberland?
„Echte Substanz“ ist so ein Ausdruck, dem es an echter Substanz mangelt.
Meinst du das hier? Das ist nur ne Beschreibung eines Geschmacks. Eine substanzielle Auseinandersetzung mit Inhalt oder Form sieht anders aus. Vielleicht meinst du ja einen anderen Beitrag.
Zumal sich der Film nie entscheiden kann, ob er denn nun eine Fantasie-Story sein will, oder nicht. Fantasie hätte den Vorteil gehabt, dass die Berge von Logik-Lücken in der Handlung völlig okay gewesen wären. So tat der Film aber über weite Strecken so, als sei er aus dem echten Leben gegriffen. Und da war dann eben vieles sehr unsinnig.
Hinzu kam die Langatmigkeit insbesondere in der ersten Filmhälfte. Und dass der Joker eigentlich ein ganz anderer Charakter ist und hier auf so eine eher einfältige Art reduziert wurde, fand ich auch nicht toll.
{Meta Male}
„Der Mensch braucht wenig und auch das nicht lange.“ - Edward Young (1683-1765)
„Das Wort verwundet leichter, als es heilt.“ -J. W. v. Goethe (1749-1832)
Die Kritik, dass man den Joker nicht wieder erkannt habe, zielt gleich zweifach ins Leere: erstens sind Origin Stories oft so gehalten, dass der Charakter während des Films entsteht, über größere Strecken der Geschichte also nicht als seine endgültige Version erkennbar ist. Und zweitens gibt es keinen „eigentlichen“ Joker, weder in den Comics noch in den verschiedenen Bewegtbildausführungen. Die Langlebigkeit der Figur des Jokers hängt auch damit zusammen, dass ihre verschiedenen Versionen nur wenige, prägnante Gemeinsamkeiten haben: Schminke, merkwürdige Lache, keine übernatürlichen Kräfte - und Batman. Diese Flexibilität gab den jeweiligen Machern die Möglichkeit, den Joker in ihre jeweiligen Universen zu transportieren und adaptieren, sei es für die Narrativen von The Killing Joke oder Dark Knight oder oder.
Manchmal war der Joker ein empathieloses Naturphänomen, etwa als Ledger ihn darstellte; manchmal ein purer, sehr auf Eigendarstellung bedachter Sadist, bei Nicholson. Manchmal ein Genie und manchmal ein Chaot, dem Dinge wie zufällig gelangen. Dieser Film versuchte, den Joker als unweigerliches Produkt der Mischung aus Mensch mit psychopathischer Veranlagung und verrohter, gnadenloser Gesellschaft darzustellen. Dabei zielt der Film auf den aktuellen Zeitgeist und trifft ihn ganz gut, und etabliert dabei eine Manifestation einer charismatischen Figur, in der sich die vagen Ängste und Wutausdrücke einer Zielgruppe bündeln - so wie vor langer Zeit Fight Club auch, wenngleich letzterer visuell innovativer vorging. Kritik an Plotlücken solcher Filme ist mMn intellektuell faul im Sinne von „lazy“, weil der Plot überhaupt nicht den Anspruch erhebt, lückenlos und stringent logisch zu sein. Es geht um den visuellen, ikonographischen Ausdruck einer verwirrten, komplexen emotionalen Suppe, und das machen Joker wie Fight Club sehr gut. Bei beiden ist übrigens auch nicht genau zu beziffern, was Fantasie sein soll und was nicht, weil das für die emotionale Kernaussage unerheblich ist.
Parasite ist ebenfalls als visueller Ausdruck unseres aktuellen Zeitgeistes zu verstehen, aber auf eine ganz andere Art.
PS: bei einem Film zwischen „Tiefe“ und „inszenierter Tiefe“ unterscheiden zu wollen, ist auch irgendwie lustig. Man will damit nur sagen, dass man selbst emotional nicht vom Film abgeholt wurde, was aber kein Ding ist, wenn man eh nicht zur Zielgruppe gehört.
Okay, dann ändere ich meine Kritik in: Dieser Joker hat nichts weswegen ich weiter an ihm interessiert wäre.
Bei Parasite habe ich oft bemerkt, dass es weniger die Story ist, sondern die für viele der „westlichen“ Konsumenten fremde Kultur und damit verbundene Erzählweise und Schauspielkunst. Gerade die Darstellung des Vaters stößt häufig auf Abneigung.
Parasites Wucht kommt für mich nicht alleine über die Story und Darstellung selbst, welche man in Teilen sicher auch mögen muss, sondern über die (nicht-)Botschaft, due Grundthematiken und den vielschichtigen Humor.
Ich habe den ganz anders erwartet und gerade deshalb genossen.
Claqueur Superior
Helfe gerne, ficke niemanden
Ja, klischeehaft gesprochen fasst Joker den Zeitgeist auf typisch „westliche“, auf (anti-)messianische Archetypen basierte Weise ein. Parasite hingegen tut es auf „fernöstliche“ Art, wo Dichotomien von Gut und Böse schwerer bis unmöglich zu formulieren sind und alle Figuren Spieler in einem Schicksalsspiel sind, das sie weder lenken noch verstehen.
Den Joker fand ich persönlich auch nicht gerade überragend. Natürlich spielt Joaquin Phoenix sehr intensiv, aber als Film hat mich das Gesamtprodukt nicht so sehr abgeholt. Parasite läuft jetzt ja bei Amazon Prime und dort habe ich den Film kürzlich angefangen, aber die Synchro hat mich ein wenig abgeschreckt. In der Hinsicht hinkt Prime gegenüber Netflix und Disney Plus wirklich massiv hinterher, denn bei den beiden Anbietern sind Originalsprache und/oder englische Tonspur sowie Untertitel fast immer gegeben.
Den fand ich auch super.
Insbesondere der Soundtrack hat mir auch sehr zugesagt.
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BTW: Hat sich schon jemand den Hamilton-Mitschnitt bei Disney Plus gegeben?
Geändert von Christian Günther (05.07.2020 um 14:21 Uhr)