Zitat von
tiro21
Ich schreibe hier selten (und bin Forenbeiträge auch sonst nicht so gewohnt also seht mir das bitte nach), aber da mir das Thema am Herzen liegt (leicht OT):
Als homosexueller Mann, der auch lange Fussball gespielt hat, ist man solche Schmährufe und Beleidigungen, die mit Homosexualität verbunden sind, um andere runter zu machen, leider gewöhnt.
Das heisst aber nicht, dass ich finde, dass man sowas kritiklos laufen lassen sollte.
Unter schwulen Männern sind auffällig wenige Menschen Fussballfan, wahrscheinlich auch zum großen Teil wegen einer wahrnehmbaren homophoben Grundstimmung im Umfeld. Klar ist man im Erwachsenenalter da schon etwas gefestigter.
Trotzdem bestehen sowas wie kleine Traumata aus der Kindheit und Jugend, wo man gemerkt hat, dass man anders ist als die Jungs in der Fussballkabine und dass das niemals rauskommen darf, weil es was schlechtes zu sein scheint. Dabei ist es nur die Sexualität, ein kleines von ganz vielen unveränderlichen Merkmalen einer Persönlichkeit. Aber leider das Merkmal, was einem ein Leben lang Probleme bereiten wird.
Auch heute noch fühle ich mich im Stadion manchmal nicht dazugehörig. Da reichen als Auslöser manchmal nur kleine Sprüche oder Scherze, die man auf der Toilette unter anderen mitbekommt. Ich würde mich natürlich über mehr Rücksicht freuen und diese fängt zumindest beim Nicht-Nutzen von sexualitätsdiffamierenden Beleidigungen an. Ich weiß aber auch, dass das ein Prozess ist und bin daher froh über jeden Ally, der sich gegen Homophobie einsetzt.
Wenn ich an mein Jugend-Ich zurückdenke, würde ich mich freuen, wenn es damals schon eine Debatten zu solchen Aussagen gegeben hätte. Es zeigt Solidarität und bezieht Stellung. Ich hoffe, dass junge Männer heutzutage nicht mehr mit ihrem Lieblingssport aufhören, weil der Druck zu groß ist sich im Fussballverein zu outen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass auch heute noch unbedachte Sprüche auch in unserer Kabine fallen, die einem Spieler, der nicht heterosexuell ist, verunsichern und weh tun. Womit ich mir auch die geringe Anzahl an homosexuellen Spielern erkläre... Dieser Druck muss unfassbar sein, immer eine Rolle zu spielen und das nicht nur vor den Kollegen, sondern auch vor kritischen Fans. Alles, was von heteronormativen, männlichen Verhaltensweisen abweichen könnte (z.B. wie man läuft, hinfällt, sich freut) müsste in dieser Rolle passieren, weil man Angst hat, es könnte einen outen (Auch, wenn das natürlich in keinster Weise Hinweise auf die Sexualität eines Menschen geben). Das kann kaum jemand durchhalten, weshalb sich viele dem Fussball abwenden.
BTT: Ich werfe es nicht Grüll vor, ich schätze es auch als unbedacht ein und das würde wahrscheinlich 80% unserer Spieler auch passieren. Finde aber gut, dass es einen Aufschrei und eine direkte Entschuldigung gibt. Natürlich wünscht man sich, dass sowas den Spielern im Gedächtnis bleibt und vielleicht ein Anstoss ist, sich mit der Thematik genauer ausseinanderzusetzen, aber ich glaube sowas passiert eher vereinzelt. Wie bei einem Fabian Reese, der für die queere Fussballszene ein Leuchtturm ist, da er seine Privilegien reflektiert und klassiche Rollenbilder laut hinterfragt. Würde sojemanden auch gerne mal bei uns sehen, aber das dauert wohl noch ein paar Jährchen.