Soo, jetzt nochmal mehr. Nochmal kurz zum Gladbach Vergleich: Da ging es mir nur darum, ein mögliches (realistisches) Optimum aufzuzeigen, was Werders Ziel sein sollte. Gladbach/Eberl werden ja auch von den Werder Verantwortlichen immer wieder als Vorbild genannt und das imo auch zurecht. Was man an Gladbach imo am ehesten kritisieren könnte, ist die Jugendarbeit. Aus dem eigenen Nachwuchs kam da imo zuletzt wenig hoch. Was aber Scouting, Transfers, Kaderplanung und die längerfristige Weiterentwicklung des Vereins mitsamt der eigenen Spielphilosophie angeht, ist das seit Favres Übernahme damals nahe am Optimum. Man hat zwar auch immer mal Fehltransfers getätigt (De Jong bspw.) und Rückschläge erleiden müssen, aber insgesamt ist die Balance positiv und man schafft es mE sehr gut, eher risikoarme und günstige Transfers mit Transfers zu verbinden, die zwar etwas teurer sind, aber dabei ein moderates Risiko (ggf. kleinere Liga/Ausland, jüngerer Spieler, Ablöse im hohen einstelligen Millionenbereich usw.) mit großem potenziellen Mehrwert (Talent, Wiederverkaufswert usw.) zu verbinden. Spieler wie Plea, Thuram, Embolo usw. sind da gute Beispiele. Das waren alles keine "günstigen" Transfers, weil die Spieler jeweils durchaus begehert waren, aber die Ablösen waren allesamt eher im Bereich +/- 10 Mio und das ist bei Spielern, die sehr offensichtlich sehr talentiert sind (stats-guys waren v. a. in Thuram und Plea verliebt) ein überschaubares Risiko. Zumal für alle diese Spieler ein klarer Plan zur Einbindung ins Team bestand. Transfers, die über eine solche Summe hinausgingen, hat Gladbach kaum getätigt. Auch nach Verkäufen nicht (vergleiche hierzu Werder/Klaassen). Stattdessen hat man in solchen Fällen dann eher in die Breite investiert oder nur Spieler geholt, bei denen man vollends überzeugt war.Zitat von Estadox
Werder wiederum hat in den letzten Jahren im Jugendbereich imo klar besser gearbeitet, auch aus der Not heraus. Bei günstigen Transfers war das ebenfalls oftmals gut. Spieler wie Delaney, Ludde, auch Moisander als Chef, mittlerweile ganz klar Friedl, auch Agu und Schmid: Das waren alles gute Transfers. Rashica als Transfer mit ähnlichem Profil wie die oben genannten BMG-Transfers war ebenfalls sehr gut, da hat nur der rechtzeitige Verkauf nicht geklappt.
Was wiederum oftmals nicht gut funktioniert hat, im Verhältnis gesehen, waren die teureren Transfers. Ich verstehe, warum man Füllkrug geholt hat. Ich hielt es aber damals und halte es auch heute für keine gute Entscheidung. Ich denke zwar nicht, dass diese Masse an Verletzungen wirklich zu erwarten war, aber das Risiko war da - und "einen Spieler wie ihn kriegt man sonst nicht" halte ich für kein gutes Argument, denn wenn Spieler selten fit sind, sind sie selten hilfreich. Fitness ist eine der wichtigsten Eigenschaften im Fußball, auch mit Blick auf Verletzungen. Füllkrug wird uns im Paket sicherlich um die ~8 Millionen an Ablöse und Handgeld gekostet haben, das Gehalt wird auch nicht niedrig sein. Das ist eine stattliche Summe und dafür kriegt man durchaus spannende Spieler mit ähnlichen Profilen, bspw. aus anderen Ligen. Auch Toprak, so gut er zurzeit drauf ist und so nachvollziehbar der Transfer an sich war, hatte ein ähnliches Problem als Profil, dazu noch mit Blick aufs Alter. Spieler wie Bittencourt oder Selke wiederum waren einfach nur teuer und vom Profil her fürs Team nicht mal besonders sinnvoll, sind dazu spielerisch potenziell keinesfalls so hilfreich wie Füllkrug oder Toprak. Das waren einfach keine guten, durchdachten Transfers - aber sie waren mit die teuersten der jüngeren und älteren Vereinsgeschichte. Da fehlt dann imo die Balance: Die Transfers, bei denen wir ins Risiko gegangen sind, haben sich in der letzten Zeit zu oft nicht ausgezahlt und auch die, bei denen das Risiko sportlich gut bis sehr gut verlief (Kruse, Klaassen) haben uns finanziell am Ende nicht viel gebracht. Bei Rashica muss man da noch abwarten.
Das ist dann auch das, was ich mit der Kritik am Muster meine: Wir leist(et)en in den letzten ~10 Jahren oft dann die beste Arbeit, wenn es finanziell eher schlecht um uns stand und sobald es finanziell besser lief und wir (dosiert) ins Risiko gingen, ist die Balance eher ins Negative gekippt. Wodurch wir dann wiederum sportlich nicht den nächsten Schritt machen konnten und es finanziell wieder schlechter aussah. Deshalb nervt mich auch der Verweis auf die fehlenden Mittel, denn die Mittel fehlten in den letzten Jahren oftmals auch deshalb, weil wir sie vorher nicht gut eingesetzt haben.
Dass die derzeitige Lage durch Corona nochmal drastisch verschärft wurde, ist klar.
Das nur nochmal dazu. Zum Saisonziel: Ich sehe das ähnlich, sage ich auch seit dem Sommer. Wichtig ist
1. der Klassenerhalt (ob am Ende Platz 15 oder Platz 10 ist da für mich fast zweitrangig) und
2. die Arbeit, die wir bis dahin leisten.
Beim zweiten Punkt sehe ich da auch die Integration der Jugendspieler als sehr wichtig an (v. a. bzgl. Schmid und Agu), aber eben nicht nur. Kohfeldt selbst hat als Saisonziel die Rückkehr zum Werder-Fußball propagiert. Das fand ich damals schon sehr ungünstig, weil der Kader das mE nur bedingt hergegeben hat, aber in Anbetracht der letzten Monate ist es schlichtweg auch zu einem sehr unsinnigen Boomerang geworden, weil es zu Kritik einlädt. Losgelöst vom Label "Werder-Fußball", das ich auch weitgehend belanglos, da zu unscharf finde, muss es imo ein Teil des Saisonziels sein, den Grundstein für die spielerische Entwicklung der nächsten Monate/Jahre zu legen. Denn tsubi bringt das hier mE auf den Punkt:
Wer mit schlechtem Fußball die Klasse hält, hält zwar die Klasse, schafft aber gleichzeitig kaum Voraussetzungen, um in Zukunft mehr zu schaffen als nur den Klassenerhalt. Schlechter Fußball erhöht das Risiko für Misserfolg. Je länger man solchen Fußball spielt, desto schwerer wird es, die Kurve zu kriegen, denn: wo fängt man an? Irgendwas ist immer. "Die Mannschaft ist verunsichert", "die Prinzipien sitzen noch nicht" usw. Im Normalfall muss man sowas in einer Vorbereitung anstreben und im laufenden Betrieb verfeinern. Ohne Fundament aus einer Vorbereitung ist die Arbeit im laufenden Betrieb nochmal schwerer. Grundsätzlich gilt: Übung macht den Meister und mit der Zeit wirds besser. Wenn dann aber ganz viel Zeit vergeht, in der man nicht an der Weiterentwicklung arbeitet, wird man mit Blick auf die mittelfristige Planung kaum vorankommen. Weil man noch gar nicht angefangen hat. Oder eben nur sehr wenig dafür getan hat.
Sprich: Wenn wir diese Saison die Klasse halten und ein paar Jugendspieler einbauen, ist das erstmal gut. Aber für die nächste Saison bringt uns das wenig, wenn wir dabei spielerisch/taktisch nur ein unzureichendes Fundament bauen, um uns weiterzuentwickeln.
Deshalb fand ich auch das Spiel gegen Gladbach schöner als das gegen Hertha: Gepunktet haben wir da zwar nicht, aber wir deutlich besseren Fußball gespielt. Dass die Mannschaft das offenbar noch/wieder kann, weckt die Hoffnung, die ermauerte Siege gegen Bielefeld, Schalke oder glückliche Siege ohne nennenswerte Chancen wie gegen Mainz nicht wecken. Denn da hat man vor allem gesehen, was die Mannschaft nicht kann.
Bei manchen bestimmt, wobei ich ihn in den letzten Wochen/Monaten eher bedingt eloquent fand. Da waren schon einige widersprüchliche Aussagen dabei.