Man muss nicht zwingend nichts mehr zu essen haben um am Ende des Monats nichts mehr zu haben. Letzteres ist für eine extrem wohlhabende Gesellschaft genau so sehr ein Offenbarungseid. Dass man bei prekären Verhältnissen gleich an viktorianische Verhältnisse mit Schuhledersuppen etc. denkt ist nur eine Ablenkung davon, dass es tatsächliche, in obigen Dimensionen existierende prekäre Verhältnisse mitten in diesem reichen Staat gibt - und dass sie übrigens zunehmen, was angesichts der Entwicklung von Reallöhnen, Mieten und Vermögensschere einigermaßen einleuchtend sein sollte.
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@per & ana
Bestreite ich doch beides gar nicht. Mein Einwurf bezog sich darauf, dass kRisbi davon sprach, dass einige am Monatsende nichts mehr zu essen haben. Und ich sehe schon einen Unterschied darin, ob man nicht in der Lage ist etwas beiseite zu legen oder aber hungern muss.
Hiding on the backstreets
Solche, die du beschreibst, gibt es bestimmt auch. Aber ein guter Indikator ist die Armutsgefährdungsquote. Sie beträgt für Deutschland 16%; jede sechste Person ist also in Armutsgefahr. Bricht man das weiter runter, dann liest man noch
Bei Singles mit Kindern ist die Quote 42%, bei niedrigem Bildungsstand, der oft eine Folge von Armut im Elternhaus ist, beträgt die Quote 33%.Ohne die umverteilende Wirkung von Sozialleistungen wäre sogar knapp jede vierte Person in Deutschland armutsgefährdet.
Und ich finde, dass der Unterschied so gross nicht ist, und dass es in der gelebten Praxis aufs selbe hinaus läuft. Ob man tatsächlich nichts zu essen hat und wie 1,7 Mio. andere zu den Tafeln muss (und die Zahl ist nur für diese Einrichtungen) oder was zu essen hat aber dafür sich von einem Monat zum anderen hangelt und genau auf Null (oder akkumulierendes Minus) raus kommt ist mMn irrelevant.
Ich verstehe dich schon: KrisIbi hat das wörtlich so gesagt. Aber die wörtliche Interpretation ist für die politische Betrachtung nicht zielführend.
Es geht im (bestehenden) Kapitalismus doch nur darum, dass man im Boot sitzt und dort gefälligst seinen Sitzkomfort verbessert; oder halt versucht, dort einzusteigen. Letzteres ist praktisch aber nahezu unmöglich.
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Das stimmt in erster Näherung. Der englische Begriff deprivation trifft es manchmal besser als das deutsche Wort Armut. Wenn sich Abhängigkeit von sozialen Sicherungssystemen bei manchen Familien durch die Generationen fortsetzt, entsteht bei einem Teil der Betroffenen eine fatalistisch eingegrenzte Perspektive. Ich habe Kinder kennengelernt, die in Bremerhaven wohnten, aber die ganzen Sommerferien lang nicht einen Nachmittag lang bis an den Deich gekommen sind, von Dorum oder gar Cuxhaven ganz zu schweigen. Dann muss man sich aber auch fragen, wie es dazu kommt, dass Menschen derart hoffnungs- und perspektivlos werden, dass sie nicht einmal auf die unspektakuläre Idee kommen: "Die Kinder sollen es einmal besser haben."
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es gerade in sozial schwachen Stadtteilen schon ab der Krabbelgruppe gelingen kann, Kinder unabhängig davon zu fördern, ob ihre Eltern ein angemessenes Zuhause bieten oder nicht. Bei den Ausgaben für frühkindliche Bildung steht Deutschland im internationalen Vergleich ziemlich mäßig da. Die Union hat mit dem für verfassungswidrig befundenen Betreuungsgeld seinerzeit jedoch einen Mechanismus eingeführt, der (trotz der eindringlichen Warnungen der Fachwelt) dazu führte, dass Kinder von Bildung ferngehalten wurden. Dass man inhaltlich daran festhält, wird durch den Fortbestand einer entsprechenden Regelung in Sachsen hinreichend illustriert.
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da hast du mich mißverstanden. ich befürchte weder, dass eine kommende cdu-regierung massiv schlimmere politik macht als die aktuelle, sondern dass sie eben genau gar nichts tut, das ist ja das was laschet verspricht. zum zweiten fürchte ich auch nicht, dass die deutsche industrie den bach runtergeht, sondern eben genau wie jetzt schon, dass todgeweihte industrien weiterhin mit unglaublich viel steuergeld am leben gehalten werden, während wir uns die förderung von zukunftsindustrien leider leider leider nicht mehr leisten können.
das mag für den moment die gewinne der etablierten konzerne hoch halten, da sie aber mit geringen investitionen und hohen staatlichen subventionen keinen druck haben zukunftsfähig zu werden, werden sie oft von technologieanbietern aus fortschrittlicheren gegenden der welt überholt und gehen am ende doch ein. schlimmer noch, diese disruption könnte bei entsprechender förderung auch hier vor ort entstehen, da aber enorm viel steuergeld in tote industrien fließt, sind diese praktisch immer unschlagbar billig und die zukunft setzt sich woanders durch, wo wir sie dann staunend beobachten. kohle gegen wind, benziner gegen ev, vectoring gegen glasfaser - das sind alles jahrzehntealte themen bei denen die union schon immer auf der falschen seite stand.
zum zweiten ist dein blick durch die steuerbrille vermutlich beruflich bedingt und ich habe keinen zweifel daran, dass deine meinung dazu fundiert ist. meine kritik an der aktuellen industriepolitik und noch mehr der von schwarz(gelb) angekündigten ist aber eine andere.
mich stört der komplette mangel an willen zu investieren und die voraussetzungen zu schaffen, dass deutschland am ende diesen jahrhunderts noch zu den hochtechnologienationen gehört. wir leben seit jahrzehnten von der substanz, benötigen dringend investitionen in infrastruktur, nicht nur im laschet-sinn autobahnen noch weiter zu verbreitern, sondern in bildung, digitale verwaltung, netzausbau usw - lustigerweise alles dinge die die fdp gerne für sich claimt, dann aber doch gern wieder über den haufen wirft sobald ein davon betroffener großkonzern ein paar schöne spenden rüberschiebt. selbst die cdu behauptet bei jeder wahl all diese sachen beim nächsten mal aber nun wirklich anzugehen wenn andi scheuer und peter altmeier nur noch ein paar jahre mehr bekommen.
aber wo sollen die investitionen herkommen? die union verspricht steuern zu senken* und trotz negativzinsen keine weiteren schuldan aufzunehmen. obwohl allen klar ist, dass wir (gerade in nrw und bremen) von der substanz leben. investitionen in die zukunft, in schulen, klimaschutz, infrastruktur sind wichtiger sind als steuergeschenke an besserverdiener - zumal klar ist, dass trickle down economics hokuspokus sind und nie funktioniert haben. währenddessen sorgen infrastrukturinvestitionen für breiteren wohlstand, schaffen jobs, machen das land zukunftsfähiger, begünstigen innovationen und private investitionen.
selbst diejenigen, denen klimaschutz und soziale fragen scheißegal sind, sollten sich doch überlegen, ob weiter so nach 16 jahren stillstand wirklich zum erhalt des wohlstandes hierzulande beiträgt oder zu dessen weiteren erodieren.
dass laschet es mit dem weitern durchwursteln ernst meint hat er ja schon mehrfach gesagt, er will im bund weitermachen wie in nrw. das sollten sich alle mal genauer ansehen, bei all den wahlversprechen von schwarzgelb in nrw kann ich mich an kein einziges erinnern, bei denen das land eine verbesserung angeschoben hat. digitalisierung, schulen, infrastruktur, bürokratieabbau, die einzigen verbesserungen die es gab basierten auf kommunalen initiativen. dass die regierung hier mittlerweile so unpopulär ist hängt genau damit zusammen.
*laut cdu-wahlprogramm, dass laschet scheinbar nicht gelesen hat, im sommerinterview meint er nämlich steuersenkungen würde da nicht drinstehen?
Geändert von cluseau (13.07.2021 um 00:36 Uhr)
tiefbegabt
Ich werfe das nur mal so in den Raum. Überraschen wird es niemanden.
Studie zu Nebeneinkünften - Parlamentarier stocken auf: Union ganz vorn
Guter Beitrag @Cluseau. Mich besorgt auch diese extreme Rückwärtsgewandtheit der Union und an etablierten Dingen zu lange festzuhalten. Es gibt recht viel Forschung dazu, dass diese "lock-ins" relativ sicher in die Hose gehen. Im Ruhrgebiet wollte man auch lange nicht wahrhaben, dass Kohleabbau und Stahlindustrie nicht mehr die Zufpferde der Wirtschaft sind. In den Wählerkreisen und Politikern hört man immer noch das Mär vom Technologievorsprung bei Verbrennern, den man nun einfach leichtfertig auf's Spiel setzen würde. Das ist einfach absurd - die Zeichen der Zeit sind schon ganz andere. Das ist auch nicht nur Deutschland. Wenn man die EU sieht, die fast die Hälfte des Budgets für eine total rückständige Landwirtschaftspolitik verballert, statt mal was vernünftiges zu fördern.
Life isn’t, and has never been, a 2 – 0 victory against the League leaders after a fish and chips lunch. (Nick Hornby)
Die Stimmung in der Autoindustrie ist aber Gott sei Dank auf Grund des Druckes der Märkte schon deutlich umgeschwenkt. Die wissen auch, dass hier in 10-15 Jahren kaum noch Verbrenner in der jetzigen Art und Weise unterwegs sein werden.
"Das Zeug kickt besser als Mehmet Scholl"