Astrud Gilberto, wunderbares Gesicht der Brasilianischen Bossa Strand Jugendkultur der 60er.
Astrud Gilberto - Photograph
Astrud Gilberto, wunderbares Gesicht der Brasilianischen Bossa Strand Jugendkultur der 60er.
Astrud Gilberto - Photograph
Astrud war absolut meine Musik. Die Leichtigkeit, die die Bossa Nova, Mitte der Fünfziger in Rio als Musik der intellektuellen Mittel- und Oberschicht entstanden, im Vergleich zum tieferen, schnelleren Samba einerseits und den schmalzigen oder zumindest dramatischen Radio-Croonern der Zeit andererseits an sich hatte, war damals recht neu und revolutionär. Man vergleiche einerseits den damals überaus populären Orlando Silva und andererseits die Hymne der Sambaschule Mangueira. Daran kann man ermessen, wieviel Sophistication diese neue Musik auf einmal mitbrachte. Rhythmisch klare Anleihen an der Komplexität des Sambas, aber von überkandideltem Ballast befreit und sehr jazzig und minimalistisch heruntergefahren, dabei eingängige Texte. In Europa lässt sich eine Parallele dieser Wirkung vielleicht am ehesten zu dem Erfolg von Domenico Modugnos Volare beim Festival von San Remo ziehen, wodurch ja auch die italienische Popmusik viel leichter wurde.
In Brasilien herrschte damals unter dem Präsidenten Juscelino Kubitschek ab Mitte der Fünfziger ohnehin eine ungeheure Aufbruchsstimmung. Eine neue Hauptstadt im Landesinneren wurde stilsicher gebaut, von der man sich wirtschaftliche Impulse erhoffe, die Nationalmannschaft errang endlich ihren ersten Weltmeisterschaftstitel, der wunderbare Kinofilm Orfeu Negro gewann die Goldene Palme in Cannes und den Oscar als bester ausländischer Film, Weltstars wie Brigitte Bardot verbrachten ihre Urlaube regelmäßig in Rio und Búzios, und über allem säuselte sanft diese leichte neue Bossa-Nova-Musik.
Und Astrud verkörperte diese Leichtigkeit wie kaum eine andere. Das einzige, was man ihr übelnehmen konnte, und das noch nicht einmal richtig, war, dass sie mit ihrer Popularität im Ausland und der später vor allem fürs ausländische Publikum geschriebenen Songs viele andere brasilianische Künstler der damaligen Zeit in den Schatten stellt und dass sie sich Brasilien letztlich entzog. Vielleicht trug sie einfach auch nur ihren Anteil bei, um die Bossa Nova im Ausland zu popularisieren. Anfang der Sechziger reiste eine ganze Abordnung brasilianischer Musiker nach New York, um in der Carnegie Hall aufzutreten. Davon gibt es glücklicherweise eine Platte, ohne Astrud zwar, aber dennoch eine schöne Illustration der Bossa Nova.
Mein Lieblingslied von ihr? Das sind ganz schön viele. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier ein paar:
Beginnings
Aruanda
Água de Beber
Não Bate o Coração
Frevo
Canto de Ossanha
Maria Moita
The Girl From Ipanema habe ich mir schon vor Jahrzehnten überhört und gerade das erste Mal seit sehr langer Zeit wieder aufgelegt. Ein wahnsinnig toll aufgebautes Stück mit einem interessanten Gegensatz zwischen dem synkopierten brasilianischen Songteil und dem eher straighten englischen Teil, was aber angesichts der unterschiedlichen Menge an Silben, die in einer Strophe untergebracht werden mussten, kein Wunder ist:
Olha que coisa mais linda, mais cheia de graça (14 Silben?)
É ela menina que passa
Num doce balanço caminho ao mar
Dagegen auf amerikanisch:
Tall and tan and young and lovely (8 Silben?)
The girl from Ipanema goes walking
And when she passes, each one she passes goes „Ah!“
Wundervoll.
Was die Ästhetik angeht, waren die Sechziger ohnehin der Höhepunkt der menschlichen Zivilisation. Jetzt ist Astrud, die sehr viel dazu beigetragen hat, für immer gegangen und hat zum Glück einen überreichen Fundus an musikalischer Eleganz dagelassen. Und einen träumerischen Mythos von unbeschwerter Strandkultur dazu.
Geändert von garrincha (07.06.2023 um 01:55 Uhr)
Danke dafür
RIP
Liberté, Égalité, Fuckafdé
There are spirals in your ears
Wu-Tang is for the children!
Beste Fahrstuhlmusik ever. Adieu, Astrud Gilberto.
oh nay... RIP Astrud.
yeah, what?
_
scheisst ihnen in die klangschalen!
©Sprengnagel
Wundervoller Nachruf. Ich habe schon darauf gehofft; bei brasilianischer Musik gibt Garrincha sich noch mehr Mühe als sonst schon.
Also auch von meiner Seite ein Danke.
Du traust dich was....ich kann mit derlei Musik wenig anfangen, der Vergleich zum Fahrstuhl ist unverschämt aber dennoch erlaubt. Bossa wirkt auf den ersten Blick simpel ist es aber tatsächlich nicht. Soviel Jazz , soviele Rhythmen.. vielleicht gelingt mir ja irgendwann auch der Zugang.
Den wünsch ich dir
Liebe. Freiheit. Alles! Und Musik.
Das Lied (Girl from Ipanema) mit dem Saxophonisten Stan Getz und João Gilberto, wie die ganze Platte, sind großartig. Später hat sie sich (für mich) dann eher Richtung easy listening bewegt. So what. Hat mir gefallen.
PS. „A trip to Brazil“ (1-3) sind ein guter Einstieg in die Musik Brasiliens.
OT: Ich suchte gerade nach etwas anderem, stieß dann aber auf Soulfrieses Walk on bys und hab mir jetzt hintereinander Dionne Warwick, Isaac Hayes (übrigens auch meine Lieblingsversion, 12 Minuten mit aller instrumenteller Orchestralität, die ich beim amerikanischen Soul so geil finde), und The Stranglers angehört. Ganz tolles Stück.
Beste Fahrstuhlmusik… „Good morning Mr. Tyler, going down?“ ist aber jetzt OT …
Langer Hafer in den Strafenkatalog!