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Thema: Was beschäftigt euch grade?

  1. #1
    Avatar von Flusen
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    Was beschäftigt euch grade?

    Es ist mir schon ein paar Mal passiert, dass ich hier etwas niederschreiben wollte aber nie den passenden Thread dafür gefunden habe.
    Dinge die mich weder freudig noch traurig oder wütend stimmen. Auch nichts politisch bewegendes sondern eben Alltagskram, der mich nachdenklich macht oder der mich beschäftigt.

    Sollte es so einen Thread schon geben, gerne dahin verschieben

    Was mich heute Abend sehr beschäftigt war eine Begegnung am späten Nachmittag.

    Ich hab meinen inneren Schweinehund überwunden und bin raus in die Sonne gegangen. Mit einem guten Buch und einem Kakao bewaffnet bin ich an die Untertrave gegangen (Ein Flussteil, de unsere Altstadt umschließt. Dort gibt es spät noch Sonne, Bänke und einige Restaurants. Ganz nett gemacht). Da keine der steuerfressenden Holzbänke frei war setzte ich mich an die Kaimauer und widmete mich meinem Buch (Star Wars falls es wen interessiert).

    Nach einiger Zeit hörte ich von hinten ein "Soll ich euch ins Wasser schubsen?" (etwas weiter neben mir saß noch ein Mädchen mit Buch). Keine von uns reagierte und ich dachte mir auch nix weiter dabei.
    Aber ich hörte die Stimme immer wieder von hinten. Nich an mich gerichtet... an alle anderen die grade da waren. Er schnorrte auf eine unbeholfene, nette und strange Art Passanten an. Viele lachten, aber kaum jemand gab ihm was. Aber er sprach auf seine Art auch einfach so Leute an. z.B. neben ihm auf der Bank saßen 3 Teenies. Als diese dann gingen meinte er 'Ihr könnt noch nicht gehen. Bleibt doch noch ein bisschen hier.' vorher aber kein Wort mit den Dreien gewechselt. Anderes Beispiel... An ihm gingen 2 Mädchen vorbei. Er rief ihr hinterher 'Ich mag deine Haare.' Sie reagierte wenigsten mit 'Danke.' Er dann 'Dieses Kupferschwarz steht dir wirklich gut.' Ich drehte mich um und sah, dass sie hellblond war. Aber es klang gar nicht böse oder verarschend sondern irgendwie ehrlich/naiv/kindlich. Seine Art finde ich sehr, sehr schwer zu beschreiben.
    Naja, es verging einige Zeit. Er sprach weiter Leute an. Auch ein paar Typen, die es sich mit ihrem Bier bequem gemacht haben. Deren Reaktion war ein nicht sehr nettes 'Verpiss dich, Digga.' Da tat er mir schon ein wenig leid. Er war weder aggressiv noch aufdringlich sondern nur anders.
    Irgendwann kam er zu mir und fragte ob ich laut vorlesen würde. Ich verneinte. Er ging zu dem Mädchen neben mir und frage ob er sich zu ihr setzten dürfte. Auch da holte er sich ein Nein ab. Also kam er noch mal zu mir und fragte ob er sich zu mir setzten dürfte. Ich zögerte kurz und sagte, dass er sich setzten solle.
    Ich versuchte weiter zu lesen, aber so wirklich gelang das nicht. Wir unterhielten uns kurz über das Buch. Und er sagte, dass ich ruhig weiter lesen solle. Er unterhielt sich mit den Enten und immer wieder mal mit mir. Er fing an zu singen. Zumindest den ersten Titel kannte ich und sang ein bisschen mit. Er sang noch schiefer als ich. Aber ihn störte das gar nicht. Wie gesagt, es hatte irgendwie was kindliches, leichtes an sich.
    Wir unterhielten uns über dies und das. Er erzählte mir, dass er grad die Strandpiraten liest und wenn ich morgen um 18 Uhr komme, dann liest er mir vor. Ich war etwas verwirrt. Nicht nur von ihm, auch von mir. Normalerweise bin ich sehr verschlossen wenn mich Fremde anquatschen. Deswegen antwortete ich dass ich arbeiten müsse. Er trug eine Art Skibrille mit rot orangenen Sichtfeld. Er fragte ob er sie abnehmen soll. ich meinte nur, wenn es ihm gefällt solle er sie doch tragen. Er behielt sie auf.
    Er kam darauf zu sprechen warum er schnorrt. Er bräuchte ein Hotelzimmer. Er hat noch keine Wohnung. Und verwies auf die Koffer, die etwas weiter weg standen. Ich war verwundert. Er erzählte, er wäre mit dem Taxi gekommen und hätte dann alles hier runter getragen.
    Irgendwie konnte ich da nicht weiter nachfragen....also von mir aus. Wir unterhielten uns noch ein wenig bis mir kalt wurde. Als ich sage ich wolle langsam mal los meinte er 'Ja langsam. Das ist ja noch nicht jetzt. Ich bring dich auch nach Hause. Aber weil du noch nicht jetzt los gehst kannst du dir das ja noch mal überlegen.' Ich schmunzelte nur und blieb noch ein Weilchen.
    Zum Abschied gab ich ihm mein Kleingeld (Wäre der 20er in meiner Geldbörse nicht geliehen gewesen, er hätte ihn wohl von mir bekommen). Er sagte 'Hab ich mir das Geld jetzt verdient? Aber du arbeitest doch dafür....Sind wir jetzt Freunde?... Die Macht sei mit dir.' Er winkte mir noch ein Weile hinterher - ich drehte mich noch ein paar Mal um zum winken.

    Auf dem Heimweg hab ich mich komisch gefühlt....eigentlich hätte ich ihn gerne mit nach Haus genommen, was zu Essen gekocht und in die Dusche gestellt (er roch nicht unangenehm, aber man sah schon dass die letzt intensive Wäsche etwas her war). Aber für mich war es schon so ein großer Schritt, dass ich mich mit einem Fremden beschäftigt habe ohne mich unwohl zu fühlen.
    Und ich muss immer noch an ihn denken. Frag mich ob er noch einen Ort zum schlafen gefunden hat. Wie es bei ihm wohl weiter geht. Wie es dazu gekommen ist, dass es ist wie es ist. Usw.
    Ich hätte ihm gerne geholfen... weiß aber gar nicht wie. Ich überlege, da morgen noch mal vorbei zuschauen. Mit einem eigenen Kakao für ihn. (Er hat die letzten Schlucke von meinem bekommen, da er so gerne welchen wollte)
    Ich glaube auch nicht, dass es irgendwie geschauspielert war um an Geld zu kommen. Dafür war es zu abgedreht. Stimmlich erinnerte er mich an einen Poetry Slamer.... falls ich der Stimme begegne reiche ich sie nach.

    Ich danke für die Aufmerksamkeit.....
    <3 Fall in Love <3 Masa <3 Stoffel <3

    Hier stand ein tolles Zitat von Otto Rehhagel.

    #TeamTörchen

  2. #2
    Avatar von Zoki
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    @ Flusen
    Du solltest nicht lesen.
    Du solltest schreiben.

    Zu dem Typen: lass es so wie es ist.
    Слава Украине

  3. #3
    Avatar von stoffel
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    Ach Flusi

    Ich hatte gestern auch eine Begegnung, die mich noch beschäftigt hat.
    Wir waren gestern noch kurz im Supermarkt um etwas zu holen. Mir fiel ein älterer Mann auf, der gebückt ging und sich sein Zeug zusammen suchte. Was man so sehen konnte: er kam klar. Dass er einen krummen, kaputten oder was auch immer Rücken hatte; war gar nicht das Problem, sondern einfach die Frage: muss er alleine zurecht kommen, hat er jemanden? Kümmert sich jemand um ihn? Oder ist er einsam? Wäre fast hingegangen um ihn zu umarmen und meine Hilfe anzubieten.

    Es beschäftigt mich dann immer total, obwohl ich den Menschen überhaupt nicht kenne. Alle Jubeljahre überkommt mich sowas. Finde den Gedanken ganz schrecklich, dass er allein daheim sitzt und niemanden hat, Frau vielleicht vor einiger Zeit verstorben oder was auch immer.


    Ich finde es toll von dir, dass du mit ihm geredet hast und ihm dadurch einfach wahrgenommen hast als Menschen. Wer weiß wie oft, er wirklich mal mit jemanden länger quatscht. Oder einfach ernst genommen wird. Egal, was er redet.
    Ich höre älteren Menschen meistens auch zu, wenn sie mich im Bus oder beim Anstehen anquatschten. Wer weiß schon, ob die an dem Tag überhaupt schon mit jemanden geredet haben. Wie viele Minuten macht das schon aus vom Tag? 5, allerhöchstens 10 Min.

    Manche von euch finden das vielleicht albern, es sei euch gegönnt
    Tut mir aber einen Gefallen, lächelt einfach mal Leute auf eurem Weg wohin auch immer an. Es wird euch gut tun und dem Lächeln-Erhalter wird sich auch freuen.
    R U D E L B I L D U N G L I E B E


    BIER = birrë, بيرة, Бира, pi jiu, byè, øl, beer, õlu, bière, cervexa, bia nui, bier, bir, beior, bjór, birra, biiru, bir, be jáu, cervesa, maek-ju, bir, olut, piwo, cerveja, bere, peeva, öl, cerveza, pivo, sör, cwrw, μπύρα


    I ♥ Bärt

  4. #4

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    @Flusen: So wie sich das liest, bist Du zu gut für diese Welt. Respekt

  5. #5
    Avatar von Der_Alex
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    Flusen, ich habe meinen Zivildienst und noch weitere Jahre in Nebenbeschäftigung mit psychisch kranken Menschen verbracht. Da habe ich auch einige wundervoll verschrobene, kindlich naive Menschen getroffen. Ich glaube so jemand war das bei Dir auch. Diese Leute haben mich auch sehr berührt. Ich kann mich noch gut an den Tag meines Vorstellungsgespräches erinnern. Ich wartete dort im Warteraum. Da hat mich einer der Klienten angesprochen. Ich weiß gar nicht mehr was er erzählt und gefragt hat. Aber es war genau die Art von Kommunikation die Du oben beschreibst. Letztlich war mir dann klar das ich den Zivildienst dort machen will.

    Da gab es dann noch ganz andere, weniger schöne Erlebnisse. Aber das ist eine andere Geschichte...

  6. #6
    Avatar von brat-set
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    Zitat Zitat von stoffel Beitrag anzeigen
    Ach Flusi

    Ich hatte gestern auch eine Begegnung, die mich noch beschäftigt hat.
    Wir waren gestern noch kurz im Supermarkt um etwas zu holen. Mir fiel ein älterer Mann auf, der gebückt ging und sich sein Zeug zusammen suchte. Was man so sehen konnte: er kam klar. Dass er einen krummen, kaputten oder was auch immer Rücken hatte; war gar nicht das Problem, sondern einfach die Frage: muss er alleine zurecht kommen, hat er jemanden? Kümmert sich jemand um ihn? Oder ist er einsam? Wäre fast hingegangen um ihn zu umarmen und meine Hilfe anzubieten.

    Es beschäftigt mich dann immer total, obwohl ich den Menschen überhaupt nicht kenne. Alle Jubeljahre überkommt mich sowas. Finde den Gedanken ganz schrecklich, dass er allein daheim sitzt und niemanden hat, Frau vielleicht vor einiger Zeit verstorben oder was auch immer.


    Ich finde es toll von dir, dass du mit ihm geredet hast und ihm dadurch einfach wahrgenommen hast als Menschen. Wer weiß wie oft, er wirklich mal mit jemanden länger quatscht. Oder einfach ernst genommen wird. Egal, was er redet.
    Ich höre älteren Menschen meistens auch zu, wenn sie mich im Bus oder beim Anstehen anquatschten. Wer weiß schon, ob die an dem Tag überhaupt schon mit jemanden geredet haben. Wie viele Minuten macht das schon aus vom Tag? 5, allerhöchstens 10 Min.

    Manche von euch finden das vielleicht albern, es sei euch gegönnt
    Tut mir aber einen Gefallen, lächelt einfach mal Leute auf eurem Weg wohin auch immer an. Es wird euch gut tun und dem Lächeln-Erhalter wird sich auch freuen.
    Nur der Einsame findet den Wald.
    Wo ihn mehrere suchen, da flieht er, und nur die Bäume bleiben zurück.

  7. #7
    Avatar von anamous
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    Flusen, auf einer Skala von 7 bis 10 - wie attraktiv war er?

    In deiner Erzählung menschelt es sehr - Respekt dafür. Ich war, vor fast 2 Jahrzehnten, selbst mal in der Situation, dass ich fremde Menschen auf offener Strasse um Gefallen bitten musste. Wir sind so konditioniert, dass wir es für eine "krasse" Situation halten, dabei sollte es vollkommen normal sein.

  8. #8
    Avatar von Bones
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    Ich finde es eher befremdlich, wie wenige geben oder helfen.

  9. #9
    Avatar von Zoki
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Flusen, auf einer Skala von 7 bis 10 - wie attraktiv war er?

    In deiner Erzählung menschelt es sehr - Respekt dafür. Ich war, vor fast 2 Jahrzehnten, selbst mal in der Situation, dass ich fremde Menschen auf offener Strasse um Gefallen bitten musste. Wir sind so konditioniert, dass wir es für eine "krasse" Situation halten, dabei sollte es vollkommen normal sein.
    Ich denke mal das es sich bei dem "Menschen" um jemanden handelt der schon auf seine Art und Weise "Verhaltensauffällig" wirkte.
    Da man den Umgang mit solchen Menschen eben nicht erlernt hat neigt man dazu sich erstmal abzugrenzen.
    Grundsätzlich ein aus eigener Unsicherheit und auch Konditionierung gegenüber der "Verrücktheit" oder "Situation" anderer nicht erlernter Umstand.
    Слава Украине

  10. #10
    Avatar von anamous
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    Die einzige "Auffälligkeit" im beschriebenen Verhalten ist die unkomplizierte Ansprache an Fremde. Das ist ja das erstaunliche, dass wir so etwas als "verrückt" oder "von der Norm abweichend" wahr nehmen, als in erster Linie soziale Lebewesen.

  11. #11
    Avatar von brat-set
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Die einzige "Auffälligkeit" im beschriebenen Verhalten ist die unkomplizierte Ansprache an Fremde. Das ist ja das erstaunliche, dass wir so etwas als "verrückt" oder "von der Norm abweichend" wahr nehmen, als in erster Linie soziale Lebewesen.


    Jeder schaut auf sich. Soziale Kontakte mit "Fremden" werden teilweise als unangenehm empfunden. Das spielt ja auch bei Flusen zu Beginn der Geschichte eine Rolle.

    Menschen die ungehemmt auf andere zugehen, werden da zunächst als anders/störend/auffällig wahrgenommen.

    Schade.

    edit. eigentlich hätte ich mir den Post auch sparen können, weil ich einfach nur wiederhole, was Du bereits gesagt hast.
    Geändert von brat-set (18.03.2016 um 11:27 Uhr)
    Nur der Einsame findet den Wald.
    Wo ihn mehrere suchen, da flieht er, und nur die Bäume bleiben zurück.

  12. #12

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    Kommt auch drauf an, wie man sozialisiert wird.
    Dank diverser Negativerlebnisse im Bremer Viertel in der Vergangenheit bin ich mitunter erstmal zurückhaltend, wenn mich ein Wildfremder etwas schräg anquatscht. Das kann sich natürlich schnell legen, wenn man merkt, dass die Nummer harmlos ist, und hat auch nix mit fehlender Hilfsbereitschaft zu tun - Bettlern etwas zukommen lassen o. ä.

  13. #13
    Avatar von Azad
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    Ich sehe manchmal Leute auf der Straße oder im Bus, die mir zerbrechlich und schutzlos vorkommen, frage mich, wie die mit dem teilweise groben und rauen Charakter der Welt klarkommen und hab das Bedürfnis, sie zu beschützen.

  14. #14
    Avatar von Zoki
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Die einzige "Auffälligkeit" im beschriebenen Verhalten ist die unkomplizierte Ansprache an Fremde. Das ist ja das erstaunliche, dass wir so etwas als "verrückt" oder "von der Norm abweichend" wahr nehmen, als in erster Linie soziale Lebewesen.
    Nope, wenn jemand wie beschrieben so auffällig ist, sich mit Enten unterhält, anfängt zu singen, beliebig Aufmerksamkeit und Grenzen sucht und auch sonst scheinbar recht extrovertiert rüberkommt denke ich mir meinen Teil und reagiere dementsprechend. Das aber bitte nicht im negativen Kontext sehen.
    Слава Украине

  15. #15
    Avatar von Blut-an-den Stollen
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    Da fällt mir spontan Klaus-Bärbel ein. Lebt er noch? Ist er noch zu sehen?
    Drohend stehen die Faschisten
    drüben am Horizont

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