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Thema: Allgemeine Nachrichten resp. Das Aktuelle Tagesgeschehen.

  1. #21256
    Avatar von garrincha
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von garrincha Beitrag anzeigen
    Quasi-Coup ist halt die geile Ausrede, um von den kriminellen Verfehlungen abzulenken. Ich weiß, dass Politik nirgendwo sauber ist, und in Brasilien schon gar nicht und noch nie. Aber ich hatte über Jahre die interessante Aufgabe, tausende von Seiten von polizeilichen Vernehmungen, abgehörten Telefonaten, Kronzeugendeals etc zu übersetzen. Was da zum Vorschein kam, ist abenteuerlich. Das meine ich zutiefst unironisch.

    Der Faschist hätte wahrscheinlich relativ leicht verhindert werden können: Niemand zwang die PT, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Niemand, nur das eigene Ego und fehlende Demut. Allen Wahlumfragen zufolge hätte Ciro Gomes (der Kandidat einer anderen Partei) die Stichwahl gegen Bolsonaro gewonnen.

    Viele Brasilianer haben einfach die Schnauze voll nach 16 Jahren PT. Und da schien ihnen Bolsonaro als das geringere Übel.

    Es tut mir leid, aber das nicht zu sehen, ist ignorant. Und genau wegen dieser Verblendung und moralischen Überlegenheit der eigenen politischen Position hat uns auch Trump überrascht.
    Ich hänge weder an Lula noch an Dilma und ja, da ist eine/r korrupter als der/die nächste. Die angebliche Moral von der Geschichte, dass doch nur die Linke keinen Kandidaten hätte stellen sollen oder doch bitte auf Geheiss reaktionärer Tendenzen ihre inhaltliche Linie verändern soll, um uns die Faschos zu ersparen, ist die typische liberale Mär, wie man sie nach jedem reaktionären Etappensieg aufgetischt bekommt - und die dennoch kein bisschen wahrer wird.

    Trump kam vielleicht vom Zeitpunkt (und der Person) überraschend, nicht aber konzeptionell. Die Gemengelage aus spätkapitalistischer Korruption inklusive immer heftigerer Abstürze, liberaler (im Sinne von "netten Kapitalisten") Kompromissbereitschaft, die auf neoliberale Austerität und Entfremdung hinausläuft, ausbeuterischem Verhalten im In- und Ausland und Massenmedien führt früher oder später zu solchen populären protofaschistischen Figuren, die ihrerseits nur dem offenen Faschismus den Weg bereiten.

    Was uns Trump und Konsorten beschert hat ist unsere Lebensweise, oft "System" genannt. Diese Entwicklungen sind keine Unfälle, sondern Folgen der Rahmenparameter - vielleicht keine unweigerlichen (die Sozialdemokratie zB hat lange Zeit gerade genug Entlastung besorgt, damit die Massen ruhig bleiben), aber auch keine unlogischen. Den Linken in all diesen Ländern, die in Jahrzehnten der erfolgreichen und konsequenten Marginalisierung und aktiven Bekämpfung innerhalb eng gestrickter und auf schier religiöse Weise unverrückbarer marktwirtschaftlicher Bedingungen die winzigen Nischen suchen müssen, in denen sie dysfunktionale Notpflaster anwenden dürfen, die kurze Zeit später anhand der Marktgesetze zu neuen Problemen werden - diesen Linken dann noch vorzuwerfen, sie hätten die Faschos auf den Plan gerufen, das ist lachhaft und nur Ausdruck des oberflächlichen liberalen Weltbilds, das nur auf Vermeidung von ungünstiger Ästhetik aus ist. Als ob die Millionen, die Faschos wählen, plötzlich weg wären, wenn man nur politisch genug taktierte, damit ihre Kandidaten nicht gewännen.

    Faschismus kontextualisiert das kapitalismusgeborene Leid der Menschen so, dass "die anderen" dafür verantwortlich sind und zur "Rechenschaft" gezogen werden. Er ist die Rettungsleine des Kapitalismus, das Überdruckventil für den Unmut, der sich dann an Minderheiten und Unterrepräsentierten entladen darf. Das sind eher einleuchtende Gründe als in einem demokratischen System einer Partei vorzuwerfen, dass sie einen Kandidaten stellte.


    Die Flucht in die allgemeine Kapitalismuskritik soll wohl das Ausgehen der Argumente im konkreten Fall übertünchen. Das kannst Du eigentlich besser.

    Ich gehe jetzt nur auf die beiden Punkte ein, die noch mit Brasilien zu tun haben:

    1) Es ist keine liberale Mär, dass die PT 16 Jahre Zeit hatte, Brasilien umzugestalten (das wurde durch das Impeachmentverfahren verkürzt, aber das ist nicht die Schuld der anderen). Es ist auch keine liberale Mär, dass am Anfang ihrer Zeit das große Wahlversprechen der PT war, die Korruption zu bekämpfen. Das hat sie nicht nur nicht geschafft, sondern im Gegenteil kräftig mitgemischt. Moralisch ist die PT am Ende. Es bedarf keiner "reaktionären Kräfte", das festzustellen, und der PT hat keiner geheißen, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Das ist doch Verschwörungsgeraune. Die PT besaß nicht die Demut, sich einer Selbstkritik zu unterziehen. Ihr war der eigene Kandidat wichtiger als den Sieg von Bolsonaro zu verhindern. Das ist egoistisch, und das ist ihre Verantwortung. Und nicht die des Kapitalismus.

    2) Die Millionen, die Bolsonaro gewählt haben, sind keine Faschisten. Denen sind einfach andere Dinge wichtiger. Ob Ehe für alle, ob Uniquoten für Rassen, ob langfristig nicht nachhaltige Wohlfahrtsprogramme, das sind nicht die Fragen, die diese Wähler beschäftigen. Diese Wähler haben keinen Bock mehr auf Gewalt oder auf Korruption, und viele glauben an Bolsonaros einfache Antworten. Andere glauben nicht dran, wählen ihn aber trotzdem, weil er als das kleinere Übel erscheint. Millionen von Bolsonaro-Wählern gehen sehr wohl weg, wenn eine bessere Alternative auf den Plan tritt. Und da sind wir wieder bei Punkt 1). Die bessere Alternative wurde von der PT verhindert.
    Geändert von garrincha (30.10.2018 um 08:35 Uhr)

  2. #21257
    Avatar von Osnadame
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    Zitat Zitat von Zoki Beitrag anzeigen
    Wie auch in den Staaten ( Trump) oder hier, eine Wahlberechtigung bedeutet nicht per se auch über profunde politische Kenntnisse zu verfügen.
    Im gemeinem Volk hatte Trump ja weniger Stimmen, schuld ist das bekloppte Wahlmännersystem da drüben.
    +++ No surprising news +++

  3. #21258
    Avatar von fruchtoase
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    Zitat Zitat von Wiesenlove Beitrag anzeigen
    So traurig es ist, aber immerhin gibt es deklassifierte Dokumente. Wann wohl die venuzuelanische Opposition ihr Recht auf Information geltend macht?
    Da können sie ja mal ihre Leidensgenossen der NSU-Morde zu befragen. Die Enkel werden die Veröffentlichung aber vielleicht noch erleben.

  4. #21259
    Avatar von anamous
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    Zitat Zitat von garrincha Beitrag anzeigen


    Die Flucht in die allgemeine Kapitalismuskritik soll wohl das Ausgehen der Argumente im konkreten Fall übertünchen. Das kannst Du eigentlich besser.

    Ich gehe jetzt nur auf die beiden Punkte ein, die noch mit Brasilien zu tun haben:

    1) Es ist keine liberale Mär, dass die PT 16 Jahre Zeit hatte, Brasilien umzugestalten (das wurde durch das Impeachmentverfahren verkürzt, aber das ist nicht die Schuld der anderen). Es ist auch keine liberale Mär, dass am Anfang ihrer Zeit das große Wahlversprechen der PT war, die Korruption zu bekämpfen. Das hat sie nicht nur nicht geschafft, sondern im Gegenteil kräftig mitgemischt. Moralisch ist die PT am Ende. Es bedarf keiner "reaktionären Kräfte", das festzustellen, und der PT hat keiner geheißen, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Das ist doch Verschwörungsgeraune. Die PT besaß nicht die Demut, sich einer Selbstkritik zu unterziehen. Ihr war der eigene Kandidat wichtiger als den Sieg von Bolsonaro zu verhindern. Das ist egoistisch, und das ist ihre Verantwortung. Und nicht die des Kapitalismus.

    2) Die Millionen, die Bolsonaro gewählt haben, sind keine Faschisten. Denen sind einfach andere Dinge wichtiger. Ob Ehe für alle, ob Uniquoten für Rassen, ob langfristig nicht nachhaltige Wohlfahrtsprogramme, das sind nicht die Fragen, die diese Wähler beschäftigen. Diese Wähler haben keinen Bock mehr auf Gewalt oder auf Korruption, und viele glauben an Bolsonaros einfache Antworten. Andere glauben nicht dran, wählen ihn aber trotzdem, weil er als das kleinere Übel erscheint. Millionen von Bolsonaro-Wählern gehen sehr wohl weg, wenn eine bessere Alternative auf den Plan tritt. Und da sind wir wieder bei Punkt 1). Die bessere Alternative wurde von der PT verhindert.
    Ok jetzt muss ich auch lachen, weil Punkt 2 ziemlich genau das ist, was ich im von dir zitierten Beitrag sagte, nur mit Synonymen - und das nachdem dich die 'allgemeine Kapitalismuskritik' belustigt hatte. Bolsonaro "bietet" einfache Antworten auf systemische Fragen und die Menschen haben die Schnauze voll und folgen ihm. Du schliesst Kapitalismus natürlich als Ursache aus, weil du nicht so ein uncooler Marxist bist - der ich übrigens auch nicht bin, was aber nicht heisst, dass man dessen Analysen aus Prinzip ablehnt, erst recht wenn es um Entfremdung der "einfachen Menschen" geht.

    Dann wird es aber absurd: inwiefern hat die PT eine bessere Alternative verhindert? die einzigen anderen Kandidaten, die in der ersten Runde überhaupt mehr als 5% der Stimmen bekamen, waren beide PT-affin. Denkst du, dass deren Wähler in Ermangelung eines PT- oder PDT-Kandidaten sich plötzlich alle hinter "irgendjemandem" vereinigen? Und warum sollte PT keinen Kandidaten stellen? Du tust so, als gelte es realpolitisch eine Gefahr zu verhindern, um dann aber von "Demut" einer Partei zu reden. Wenn nach deinen eigenen Angaben Korruption Normalität ist, dürfte keine einzige Partei einen Kandidaten stellen, aus "Demut". Und "Egoismus" soll es sein, wenn eine Partei einen Kandidaten stellt, der in der ersten Runde unter vielen anderen 30% der Stimmen bekommt?

    Das ist mMn hanebüchen, aber auch zu erwarten, wenn man um jeden Preis versucht, systemische Ursachen auszublenden und sich auf Ästhetik zu reduzieren - "Egoismus", "Demut" etc.

  5. #21260
    Avatar von garrincha
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von garrincha Beitrag anzeigen


    Die Flucht in die allgemeine Kapitalismuskritik soll wohl das Ausgehen der Argumente im konkreten Fall übertünchen. Das kannst Du eigentlich besser.

    Ich gehe jetzt nur auf die beiden Punkte ein, die noch mit Brasilien zu tun haben:

    1) Es ist keine liberale Mär, dass die PT 16 Jahre Zeit hatte, Brasilien umzugestalten (das wurde durch das Impeachmentverfahren verkürzt, aber das ist nicht die Schuld der anderen). Es ist auch keine liberale Mär, dass am Anfang ihrer Zeit das große Wahlversprechen der PT war, die Korruption zu bekämpfen. Das hat sie nicht nur nicht geschafft, sondern im Gegenteil kräftig mitgemischt. Moralisch ist die PT am Ende. Es bedarf keiner "reaktionären Kräfte", das festzustellen, und der PT hat keiner geheißen, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Das ist doch Verschwörungsgeraune. Die PT besaß nicht die Demut, sich einer Selbstkritik zu unterziehen. Ihr war der eigene Kandidat wichtiger als den Sieg von Bolsonaro zu verhindern. Das ist egoistisch, und das ist ihre Verantwortung. Und nicht die des Kapitalismus.

    2) Die Millionen, die Bolsonaro gewählt haben, sind keine Faschisten. Denen sind einfach andere Dinge wichtiger. Ob Ehe für alle, ob Uniquoten für Rassen, ob langfristig nicht nachhaltige Wohlfahrtsprogramme, das sind nicht die Fragen, die diese Wähler beschäftigen. Diese Wähler haben keinen Bock mehr auf Gewalt oder auf Korruption, und viele glauben an Bolsonaros einfache Antworten. Andere glauben nicht dran, wählen ihn aber trotzdem, weil er als das kleinere Übel erscheint. Millionen von Bolsonaro-Wählern gehen sehr wohl weg, wenn eine bessere Alternative auf den Plan tritt. Und da sind wir wieder bei Punkt 1). Die bessere Alternative wurde von der PT verhindert.
    Ok jetzt muss ich auch lachen, weil Punkt 2 ziemlich genau das ist, was ich im von dir zitierten Beitrag sagte, nur mit Synonymen - und das nachdem dich die 'allgemeine Kapitalismuskritik' belustigt hatte. Bolsonaro "bietet" einfache Antworten auf systemische Fragen und die Menschen haben die Schnauze voll und folgen ihm. Du schliesst Kapitalismus natürlich als Ursache aus, weil du nicht so ein uncooler Marxist bist - der ich übrigens auch nicht bin, was aber nicht heisst, dass man dessen Analysen aus Prinzip ablehnt, erst recht wenn es um Entfremdung der "einfachen Menschen" geht.

    Dann wird es aber absurd: inwiefern hat die PT eine bessere Alternative verhindert? die einzigen anderen Kandidaten, die in der ersten Runde überhaupt mehr als 5% der Stimmen bekamen, waren beide PT-affin. Denkst du, dass deren Wähler in Ermangelung eines PT- oder PDT-Kandidaten sich plötzlich alle hinter "irgendjemandem" vereinigen? Und warum sollte PT keinen Kandidaten stellen? Du tust so, als gelte es realpolitisch eine Gefahr zu verhindern, um dann aber von "Demut" einer Partei zu reden. Wenn nach deinen eigenen Angaben Korruption Normalität ist, dürfte keine einzige Partei einen Kandidaten stellen, aus "Demut". Und "Egoismus" soll es sein, wenn eine Partei einen Kandidaten stellt, der in der ersten Runde unter vielen anderen 30% der Stimmen bekommt?

    Das ist mMn hanebüchen, aber auch zu erwarten, wenn man um jeden Preis versucht, systemische Ursachen auszublenden und sich auf Ästhetik zu reduzieren - "Egoismus", "Demut" etc.
    Hättest Du besser gelesen, hättest Du gesehen, dass ich von Anfang an vom PDT-Kandidaten Ciro Gomes geredet habe. Der hatte alle Chancen, Bolsonaro zu verhindern, und der wurde von der Bevölkerung nicht mit der PT in einen Topf geworfen.

  6. #21261
    Avatar von anamous
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    Ah, du meinst also den Kandidaten, der in der ersten Runde ganze 13% holte. Hinter dem hätte sich dann das Wahlvolk geschlossen versammelt, wenn es nur keine beliebteren Kandidaten zur Wahl gehabt hätte? Das ist die "eine Stimme für die Grünen ist eine Stimme für die Republikaner"-Logik aus den USA.

    55% der Brasilianer wählten einen Typen, dessen Wahlkampfmotto wörtlich "Brasilien über Alles" war, und dessen Positionen eindeutig faschistisch sind - und er hatte in beiden Wahlrunden die Pole Position - in der ersten Runde schon 46%, mehr als Haddad und Ciro zusammen. Und du reduzierst das ganze nicht nur auf Kandidatengeschacher, sondern schlussfolgerst, dass eine demokratische Partei keinen eigenen Gegenkandidaten hätte stellen dürfen.

  7. #21262
    Avatar von fruchtoase
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Ah, du meinst also den Kandidaten, der in der ersten Runde ganze 13% holte. Hinter dem hätte sich dann das Wahlvolk geschlossen versammelt, wenn es nur keine beliebteren Kandidaten zur Wahl gehabt hätte? Das ist die "eine Stimme für die Grünen ist eine Stimme für die Republikaner"-Logik aus den USA.

    55% der Brasilianer wählten einen Typen, dessen Wahlkampfmotto wörtlich "Brasilien über Alles" war, und dessen Positionen eindeutig faschistisch sind - und er hatte in beiden Wahlrunden die Pole Position - in der ersten Runde schon 46%, mehr als Haddad und Ciro zusammen. Und du reduzierst das ganze nicht nur auf Kandidatengeschacher, sondern schlussfolgerst, dass eine demokratische Partei keinen eigenen Gegenkandidaten hätte stellen dürfen.
    Ja, aber irgendwie müssen wir doch jetzt den Spin hinbekommen, dass die Linken an allem Schuld sind...

  8. #21263
    Avatar von garrincha
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Ah, du meinst also den Kandidaten, der in der ersten Runde ganze 13% holte. Hinter dem hätte sich dann das Wahlvolk geschlossen versammelt, wenn es nur keine beliebteren Kandidaten zur Wahl gehabt hätte? Das ist die "eine Stimme für die Grünen ist eine Stimme für die Republikaner"-Logik aus den USA.

    55% der Brasilianer wählten einen Typen, dessen Wahlkampfmotto wörtlich "Brasilien über Alles" war, und dessen Positionen eindeutig faschistisch sind - und er hatte in beiden Wahlrunden die Pole Position - in der ersten Runde schon 46%, mehr als Haddad und Ciro zusammen. Und du reduzierst das ganze nicht nur auf Kandidatengeschacher, sondern schlussfolgerst, dass eine demokratische Partei keinen eigenen Gegenkandidaten hätte stellen dürfen.
    Laut allen Wahlumfragen vor der Wahl hätte Bolsonaro gegen Ciro Gomes in der Direktwahl verloren. Ciro Gomes hat ja auch deshalb nur 13% geholt, weil Haddad 29% geholt hat, das ist ungefähr die Kernwählerschaft der PT.

    Dass die PT ihren eigenen Kandidaten aufstellte, ist nicht unrechtmäßig, sondern dumm. Darum geht's mir.

    Mit den Grünen in den USA ist das null vergleichbar, weil die sich in keinen Korruptions- oder anderen Skandalen verstrickt haben.

    Und insofern reduziere ich das Ganze nicht auf Kandidatengeschacher, sondern sehe, wie Du ja hoffentlich auch, dass es eine massive politische Krise in Brasilien gibt. Während Du aber einer wie auch immer gearteten kapitalismusimmanenten Krise die Schuld dafür gibst, sehe ich, dass die PT 2002 angetreten ist, um die Korruption zu beseitigen. Da ist sie krachend gescheitert, und schlimmer noch, sie selbst hat ein wahnwitziges Netz an Abhängigkeiten geschaffen, in dem sie sich zum Glück verheddert hat und auf die Schnauze geflogen ist. Meinst Du denn wirklich, das war auch die Schuld des Kapitalismus?

    Die PT hatte 14 effektive Jahre ALLES in der Hand und hätte eigentlich geil regieren können. Aber der Kapitalismus war Schuld daran, dass sie es nicht geschafft hat. Das ist lachhaft. Genauso wie den Zustrom zu Bolsonaro auf die Entfremdung der Menschen zu schieben. Es ist hilfreich, sich zuerst mit den politischen und gesellschaftlichen Realitäten eines Landes zu befassen, bevor man vom anderen Ende der Welt mit brav einstudierten und generalgültigen Theorien urteilt. Gilt auch für Venezuela.

  9. #21264
    Avatar von anamous
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    Zitat Zitat von garrincha Beitrag anzeigen
    Laut allen Wahlumfragen vor der Wahl hätte Bolsonaro gegen Ciro Gomes in der Direktwahl verloren. Ciro Gomes hat ja auch deshalb nur 13% geholt, weil Haddad 29% geholt hat, das ist ungefähr die Kernwählerschaft der PT.
    Und zusammen ist das immer noch weniger als Bolsonaro. Laut Wahlumfragen gabs übrigens keinen Brexit und Clinton hat gewonnen.

    Ich weiss nicht, wie oft ich noch schreiben muss, dass die PT-Regierung korrupt war, damit du verstehst, dass ich diesen Punkt schon berücksichtige. Und die Regierung davor war es auch. Und die davor auch. Usw. Und die nächste wird es definitiv auch. Ab wann darf man dann von Systemimmanenz sprechen? Auch "linke" Parteien in Marktwirtschafts-Demokratien können nur innerhalb der Parameter jener Marktwirtschaft regieren, was zur Folge hat, dass jegliche sozialen Programme den Gesetzen des Marktes unterliegen - dass soziale Programme krachend scheitern ist weder reines PT- noch Brasilien-Phänomen. Und wenn weder die "linken" Massnahmen fruchten noch andere sich grossartig für sie interessieren, ist das dann vielleicht doch ein systemisches Problem oder nur eine Anreihung von unglücklichen Zufällen?

    Mal abgesehen davon, dass deine Argumentation Kontra Haddad tatsächlich mit "die Linken sind schuld" anfängt und dann Gründe dafür fingersaugt, widerspricht sie den nackten Zahlen: Haddad holte im 2. Durchgang 45%, was ziemlich genau sein Anteil aus dem 1. Durchgang plus der von Ciro und noch ein paar Zerquetschte ist. Das ist die Basis. Bolsonaro hätte hingegen schon die 50% geholt, wenn nur die Wähler der konservativen, "Zentrum-rechten" und rechten Kandidaten aus der ersten Runde ihm ihre Stimmen gegeben hätten.

    PS: der in Rio lebende und mit einem Brasilianer verheiratete Greenwald sollte sich auch mal mit den gesellschaftlichen und politischen Realitäten des Landes befassen.

  10. #21265
    Avatar von Nis Randers
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    Egal...
    Geändert von Nis Randers (30.10.2018 um 12:54 Uhr)

  11. #21266
    Avatar von garrincha
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    Zitat Zitat von garrincha Beitrag anzeigen
    Laut allen Wahlumfragen vor der Wahl hätte Bolsonaro gegen Ciro Gomes in der Direktwahl verloren. Ciro Gomes hat ja auch deshalb nur 13% geholt, weil Haddad 29% geholt hat, das ist ungefähr die Kernwählerschaft der PT.
    Und zusammen ist das immer noch weniger als Bolsonaro. Laut Wahlumfragen gabs übrigens keinen Brexit und Clinton hat gewonnen.

    Ich weiss nicht, wie oft ich noch schreiben muss, dass die PT-Regierung korrupt war, damit du verstehst, dass ich diesen Punkt schon berücksichtige. Und die Regierung davor war es auch. Und die davor auch. Usw. Und die nächste wird es definitiv auch. Ab wann darf man dann von Systemimmanenz sprechen? Auch "linke" Parteien in Marktwirtschafts-Demokratien können nur innerhalb der Parameter jener Marktwirtschaft regieren, was zur Folge hat, dass jegliche sozialen Programme den Gesetzen des Marktes unterliegen - dass soziale Programme krachend scheitern ist weder reines PT- noch Brasilien-Phänomen. Und wenn weder die "linken" Massnahmen fruchten noch andere sich grossartig für sie interessieren, ist das dann vielleicht doch ein systemisches Problem oder nur eine Anreihung von unglücklichen Zufällen?

    Mal abgesehen davon, dass deine Argumentation Kontra Haddad tatsächlich mit "die Linken sind schuld" anfängt und dann Gründe dafür fingersaugt, widerspricht sie den nackten Zahlen: Haddad holte im 2. Durchgang 45%, was ziemlich genau sein Anteil aus dem 1. Durchgang plus der von Ciro und noch ein paar Zerquetschte ist. Das ist die Basis. Bolsonaro hätte hingegen schon die 50% geholt, wenn nur die Wähler der konservativen, "Zentrum-rechten" und rechten Kandidaten aus der ersten Runde ihm ihre Stimmen gegeben hätten.

    PS: der in Rio lebende und mit einem Brasilianer verheiratete Greenwald sollte sich auch mal mit den gesellschaftlichen und politischen Realitäten des Landes befassen.
    Gegen Bolsonaro hätte Ciro mehr geholt als Haddad. So waren die Vorhersagen. Das sind die nackten Zahlen von vor der Wahl. Sage ich seit dem ersten Post und wird von Dir seither bestritten oder als unlogisch dargestellt. Und da liegst Du einfach falsch. Kannste ruhig mal eingestehen. Ob die Vorhersagen dann genauso wenig stimmten wie beim Brexit oder den Ami-Wahlen, werden wir leider nicht erfahren.

    Es ging beim Scheitern der PT gerade NICHT um die sozialen Programme, die haben nämlich teilweise gut funktioniert. (Die sozialen Programme waren nur für viele nicht-faschistische Bolsonaro-Wähler nicht wichtig).

    Es ging bei der PT darum, dass sie die Korruption ausschalten wollten. Daher wurden sie von vielen Nicht-PT-Wählern ursprünglich gewählt. Das war ihr USP, der sie von den Regierungen davor unterscheiden sollte.

    Wenn Du also das System für alles verantwortlich machst, auch für die grassierende Korruption, dann dürfte Dir doch auch egal sein, wer innerhalb dieses Systems regiert, denn am Ende ist es immer das Böse. Und dann müsste Dir eigentlich auch Bolsonaro egal sein.

    Umgekehrt ist dann aber die Frage auch, wie es kommt, dass innerhalb desselben Systems manche Länder an Korruption leiden und andere nicht? Wo ist dann die Systemimmanenz?

  12. #21267
    Avatar von flowen
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    Die Vorhersagen in Brasilien waren teilweise komplett falsch. Wilson Witzel in Rio lag in den Vorhersagen bei ~17% und bekam am Ende über 41%. Und das zieht sich durch das komplette Land durch, in vielen Umfragen bekamen die Bolsonaro-Kandidaten zu wenig Anteile.

  13. #21268
    Avatar von garrincha
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    Das stimmt, wobei in den Wochen vor den Wahlen noch einmal eine neue Dynamik aufkam, die nicht immer berücksichtigt wurde oder werden konnte.

  14. #21269

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    http://www.spiegel.de/wissenschaft/t...a-1234901.html

    Ziemlich spannendes Thema. Darüber hat mich mir noch so keine Gedanken gemacht. Hat was von "I-Robot"...

  15. #21270
    Avatar von WhiteHorse
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    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von Wiesenlove Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von anamous Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von mads Beitrag anzeigen
    Klingt irgendwie zynisch für mich
    Wie meinst du zynisch? Die Geschichte Südamerikas lehrt uns, dass das Warten auf deklassifizierte Dokumente oft mit wichtigen Einsichten belohnt wird.
    So traurig es ist, aber immerhin gibt es deklassifierte Dokumente. Wann wohl die venuzuelanische Opposition ihr Recht auf Information geltend macht?
    Wenn man sich an großen Vorbildern orientiert in so ca. 30 Jahren, wenn überhaupt, denn so manches bleibt einfach classified. Und wenn man sich an diesen Vorbildern orientiert dann darf sich die venezuelanische Regierung so lange auch als die freiheitsliebenden Guten feiern lassen.
    Pfui! Ob du das auch noch sagen wirst, wenn demnächst die Ausreisebestimmungen geändert werden? Wie kann man diese Regierung nur in Schutz nehmen?

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