Zitat von
Wense
Magst du das noch ein bisschen erläutern?
Klar. Es geht vor allem um zwei Sachen, Gameplan und Adjustments (oder das Fehlen dieser). Fangen wir mit McVay und den Rams an:
Die Defense der Buccaneers ist extrem stark gegen den Lauf. Das liegt zum einen an der Defensive Line (auch ohne Vea, wobei dessen Ausfall immer mehr ins Gewicht fällt), aber auch an den beiden Linebackern David und White, die beide sehr athletisch und aggressiv spielen. Die Secondary hingegen ist anfällig, wenn die Buccaneers es nicht schaffen, den gegnerischen Quarterback unter Druck zu setzen. Auf der anderen Seite geht es vor allem um Goff, dessen Stärken und Schwächen recht klar sind: Er hat einen wirklich guten und starken Arm, hat aber Probleme bei Pre- und Post-Snap Reads. Damit sind vor allem zwei Sachen für den Gameplan der Rams wichtig: Goff darf so wenig wie möglich unter Druck geraten und seine Reads müssen simpel sein. McVay setzt beides mit vor allem zwei Mitteln um:
Das erste Mittel ist der sog. Bootleg. Bei einem Bootleg wirft der Quarterback den Ball nicht wie gewohnt aus der Pocket heraus, sondern er läuft nach dem Snap zunächst horizontal zur Line of Scrimmage auf eine Seite der Formation und quasi weg von der Defensive Line. Die Rams spielen ihre Bootlegs häufig mit Play Action: Sie täuschen den Outside Run an, um Goff dann von der anderen Seite werfen zu lassen. Ich habe mal einen der Lieblingsspielzüge der Rams professionell bei Paint illustriert:
https://imgur.com/a/fcN40JM
In Rot ist angedeutet, dass Goff zunächst die Ballübergabe an den Runningback antäuscht (der täuscht in diesem Fall den Lauf nach links an, dunkelrot), um dann nach rechts zu "rollen" und von dort zu werfen. Der Z-Receiver blockt nach links, um der Defense den Lauf zu verkaufen. Beide Tight Ends (Y und U) laufen Crossing Routes parallel zur Line of Scrimmage in Richtung Goff. Der X-Receiver läuft dann irgendeine Variation einer Go-Route. Warum spielen die Rams diesen Spielzug so häufig? Da sind wir wieder beim Anfang. Durch den veränderten "Launch Point" von Goff ist er weniger Druck ausgesetzt. Die Pass Rusher müssen nach Erkennen des Fakes erst von der anderen Seite zu Goff laufen, dadurch hat er i. d. R. etwas mehr Zeit als sonst. Außerdem hat Goff ein freies Sichtfeld, da vor ihm weder Defensive noch Offensive Line zugange sind. Und auch der zweite Punkt ist hier gegeben: einfache Reads. Durch den Launch Point und dem Design der Routes (alle drei Routes orientieren sich nach rechts) muss Goff nur die rechte Seite des Feldes lesen. Hat der X-Receiver einen freien Release und etwas Vorsprung vor dem Gegenspieler? Falls ja, kann er den tiefen Pass versuchen. Falls nicht, muss er nur den Flat Defender lesen und ob dieser den Y- oder den U-Receiver deckt und dann einen einfachen Ball zu dem jeweils ungedeckten Spieler werfen.
Das zweite von McVay und den Rams gerne eingesetzte Mittel ist die Bunch Formation, hier vor allem Trips. Bei dieser Formation stehen drei Receiver auf der selben Seite sehr eng beieinander:
https://imgur.com/a/dDQ6W42
Hier geht es vor allem darum, einen schnellen und einfachen Read zu haben. Man attackiert vor allem zwei Defender: den Flat Defender und den Underneath Player. Diese zwei Spieler müssen sich zwischen drei Spielern entscheiden, ein Receiver wird also meistens Platz haben.
Was bei beiden Sachen zu tragen kommt, ist das sog. "Hi-Lo" Konzept. Vereinfacht gesagt laufen dabei zwei Spieler die gleiche Route in unterschiedlicher Tiefe. Beim Bootleg-Beispiel laufen beide Tight Ends eine Crossing Route, der eine hinter und der andere vor der LoS. Beim Bunch-Beispiel läuft der Y-Receiver einen Shallow Crosser und der X-Receiver eine tiefere In-Route. Die meisten Defenses haben einen Linebacker oder den Strong Safety in einer Zone in der Mitte. Dieser Spieler muss sich entscheiden, welche der beiden Routen er verteidigt; der Quarterback muss dann einfach den Ball zum anderen Spieler werfen.
Der Punkt Adjustments kam heute Nacht bei den Rams nicht so zum Tragen, da der Gameplan an sich gut genug war, sodass er kaum verändert werden musste.
Zu den Buccaneers:
Auch hier muss man sich die Stärken und Schwächen beider Teams vor Augen führen. Die Defense der Rams hat keine wirkliche Schwäche. Das Backfield ist eines der besseren der Liga und die Defensive Line hat mit Aaron Donald den besten Spieler der Liga. Die Offense der Bucs hat eine mittelmäßig bis schlechte Offensive Line (mit Ausreißern nach oben), eher mittelmäßige Runningbacks, dafür das wohl beste Receiving Corps der Liga. Brown ist einer der besten Route Runner der NFL Geschichte, Godwin ist unfassbar schnell und läuft ebenfalls starke Routen. Evans ist vor allem physisch ein Monster. Stelle ich beides gegenüber, fällt vor allem ein Mismatch auf: Die Defensive Line der Rams gegen die Offensive Line der Buccaneers. Die größte Gefahr lauert in der Mitte: die Defensive Tackle der Rams, vor allem natürlich #99, sind in der Lage, die Interior Protection der Bucs bei lebendigem Leibe aufzufressen. Das heißt vor allem zwei Sachen: Beim Laufspiele gehe ich über die Außen und im Passspiel spiele ich viele schnelle Pässe über Brown und Godwin, die durch ihr Route Running in der Lage sind, sich von ihren Gegenspielern recht schnell absetzen zu können. Und jetzt kommt Bruce Arians. Mit aller Gewalt drückt er hier seine Philosophie durch: Kurze Pässe sind für Loser, lange Bälle will das Volk. Das Laufspielt geht fast nur durch die Mitte und ist dort auch
völlig unerwartet an der LoS direkt wieder beendet. Das bringt die Bucs ein ums andere Mal in offensichtliche Passing Downs. Dann schickt er mit Brown und Godwin ein ums andere Mal zwei Receiver, die ihre Stärken im Route Running haben, einfach tief und erwartet, dass sie ihre Gegenspieler durch reines Geradeauslaufen schlagen können. Das ist nicht nur Quatsch für die Receiver, bei solchen Spielzügen muss auch die Offensive Line 5-6 Sekunden halten können, da vorher ein Pass einfach nicht möglich ist. Und jetzt gehe ich einfach ein paar Zeilen zurück: "Stelle ich beides gegenüber, fällt vor allem ein Mismatch auf: Die Defensive Line der Rams gegen die Offensive Line der Buccaneers.". Hmmmm. Dass ich einen 43-jährigen Quarterback 48 mal in einem Spiel (vor allem tief) werfen lasse... da gehe ich gar nicht mehr drauf ein. Spätestens zur Halbzeit musste klar sein, dass man mit diesem Ansatz nicht weit kommen wird. Aber es wird einfach stur dran festgehalten. Zugegeben, Fournette mit Pässen aus dem Backfield zu bedienen war gestern nicht möglich (Steinhände), aber dann mache ich das mit anderen Runningbacks. Wie bei den Rams wurden auch hier keine Adjustments gemacht. Aber nicht, weil diese nicht nötig waren, sondern weil Arians ein unglaublich sturer Coach ist, der sich weigert, seinen Gameplan an die Stärken und Schwächen seiner Mannschaft anzupassen. Turnover haben das Spiel aber irgendwie noch bis zum Ende eng gehalten, aber darauf würde ich nicht immer bauen.