Einfach nur weil mich die wenige Kreativität von Werder mal wieder ein Bisschen nervt, zwei Vorschläge für unser Mittelfeld, die eh niemals bei Werder landen werden:
Zum einen wäre da
Bilal Hussein von AIK Solna, schwedischer U21-Nationalspieler und vermutlich auch zeitnah A-Nationalspieler. Hussein bringt schon athletisch recht viel mit, seine Dynamik ist sehr ordentlich, seine Robustheit eher ausbaufähig, aber er ist recht drahtig in seiner Zweikampfführung, seine Sprungkraft ist sehr ordentlich. Hussein ist vom Spielertyp her ein eher zurückgezogener Achter, der sich insbesondere im eigenen Ballbesitz extrem wohlfühlt. Seine größte Stärken sind definitiv sein Spielverständnis und sein Passspiel, meistens bringt er weit über 90% seiner Pässe zum Mitspieler, Ballverluste hat er kaum in seinem Spiel. Im Passspiel ist es völlig egal, was für eine Art von Pass er spielen will, lang, kurz, hoch, flach, er hat eigentlich alles im Repertoire, wobei er sich im Kurzpassspiel definitiv am besten macht.
Hussein hält sich im liebsten in den linken Halbräumen auf, holt sich da sowohl Bälle tief ab, bietet sich aber auch immer wieder weiter vorne als Anspielstation an. Er ist aber auf jeden Fall erheblich besser im Spielaufbau aufgehoben und bewegt sich auch meistens als Anspielstation für die Innenverteidiger im Mittelfeld, sein Freilaufverhalten ist ohnehin extrem stark. Insbesondere fällt hierbei auf, dass Hussein sich ohne Ball am Fuß extrem gut orientiert und die aktuellen Situationen ständig checkt und evaluiert, weiß dabei aber immer wieder, wann er sich wieder auf den Ball konzentrieren muss, um Anspielbar zu sein. Hussein bewegt sich sehr clever zwischen den Linien und erkennt die Pressing-Schemes der Gegner sehr schnell, weshalb er sich oft so positioniert, dass er so anspielbar ist, dass direkt die erste Pressingreihe überspielt wird. Weiter erkennt er Spielsituationen extrem schnell und versteht es wie kaum ein zweiter, sich direkt aus der Freilaufbewegung heraus in ne passende Körperstellung fürs Weiterspielen zu bringen, egal ob er den Körper dann zwischen Ball und Gegenspieler bekommt oder ob er sich offen positioniert, um mit einem oder zwei Kontakten direkt einen weiteren Pass zu spielen.
Hier ist mal ne kommentierte Spielszene von Hussein im Ballbesitz. Man sieht, wie er sich bereits ohne Ball ständig umschaut und sowohl die Lücke hinter den, sehr auf die letzte Reihe fokussierten, Angreifern sieht, als auch die Position der restlichen Verteidiger und seiner Mitspieler wahrnimmt. Er bietet sich im gegebenen Raum an, bringt seinen Körper in ne Stellung, in der ihm quasi alle Möglichkeiten offenstehen, nimmt die Reaktion der zwei Verteidiger in seinem direkten Sichtfeld sowie den Laufweg hinter die Kette seines Stürmers in Sekundenbruchteilen auf und spielt den perfekten Pass, der die komplette gegnerische Defensive aus dem Spiel nimmt.
Solche Szenen hat er leider noch zu selten in seinem Spiel,
wie man hier sehen kann, ist der offensive Output eher gering. Man sieht deutlich, dass er im Passspiel und Spielaufbau wirklich sehr stark ist, aber eben sobald es ins letzte Drittel geht, irgendwie abfällt. Das hängt sicher auch mit seiner Rolle als tiefer Spielmacher bei AIK zusammen, aber diesen Output muss er dringend verbessern, denn dass er das Potential dazu hat, konnte man ja weiter oben sehen. Trotzdem ist er im Spiel mit dem Ball bereits ein sehr guter Achter, da er einfach kaum Fehler macht, den Ball permanent am Laufen hält und auch regelmäßig das gegnerische Pressing progressiv überspielen kann.
Gegen den ist er auch okay, aber nicht herausragend.
Hier (Hussein ist Nr. 5) kann man sehen, dass Hussein sich im Moment noch zu sehr aus Zweikämpfen rausnimmt. Die, die er nimmt, gewinnt er zu guten Quoten, in der Luft wie am Boden, aber in der Bundesliga müsste er da definitiv mehr machen. Die vielen Interceptions zeigen aber eben auch, dass er ein hohes Spielverständnis im defensiven Bereich hat, er positioniert sich gut, er nimmt viele gute Zweikämpfe aus seiner Sicht, er ist clever im Gegenpressing und versteht das Passspiel der Gegner recht gut, aber ein Sechser wird aus ihm vermutlich nicht mehr. Trotzdem ist er defensiv sehr ordentlich dabei, vor ner Dreierkette könnte er sicher auch den zentral defensiven Part eines Dreiermittelfelds übernehmen.
Technisch ist er ohnehin sehr sauber, Hussein verspringt kaum mal ein Ball. Wo er sich im Spiel mit dem Ball aber noch verbessern sollte, ist das Dribbling. Wie man auf dem Radar oben sehen kann, hat er zwar ne recht ordentliche Zahl an progressiven Läufen, er geht aber kaum ins Dribbling und seine Erfolgsquote ist auch mäßig. Er verliert zwar wenige Bälle in direkten Drucksituationen und kann diese auch oft überspielen, aber ne Entwicklung in die Richtung, dass er diese Situationen auch durch einen Antritt auflösen kann, wäre sehr schön.
Zum anderen wäre da dann noch
Joe Bell von Viking Stavanger in Norwegen. Bell fand ich lange Zeit sehr mäßig, die Entwicklung in letzter Zeit war aber wirklich sehr gut und wurde auch durch eine Olympiateilnahme und Einladungen zur Nationalmannschaft belohnt. Bell ist im Gegensatz zu Hussein in klarer Sechser, hat diese Saison hauptsächlich als alleiniger Sechser in einem 4-3-3 gespielt und war auf der Position hinter Patrick Berg und Aursnes wohl der drittbeste Spieler in der Liga.
Was mir an Bell hauptsächlich sein Spielverständnis, offensiv wie defensiv.
Hier kann man deutlich sehen, wo Bells Stärken eigentlich liegen. Bell ist mit dem Ball am Fuß sehr sicher, hat ein sehr gutes Passspiel und auch eine sehr ordentliche Reichweite darin, woraus auch eine sehr ordentliche Ballsicherheit entsteht. Das wirklich Beeindruckende an seinem Passspiel ist es aber, dass er es quasi aus jeder Position heraus schafft, progressiv in seinem Passspiel zu sein, im Gegensatz zu Hussein schafft er es sogar wirklich sehr konstant Bälle ins letzte Drittel zu spielen. Bell ist daher, obwohl er als alleiniger Sechser spielt, ein essentiell wichtiger Faktor für Vikings Offensvispiel geworden, da er eben den Ball nicht nur halten kann, sondern in absoluter Regelmäßigkeit auch Angriffe einleitet und mit guten Pässen den Gegner extrem unter Druck setzten kann. Bells Freilaufbewegungen sind dabei deutlich konservativer als die von Hussein, er bewegt sich eher wie ein klassischer Sechser, der sich einfach von Gegenspielern löst und sich Bälle abholt, als dass er wirklich direkt eine Folgeaktion im Kopf hat. Diese folgende Aktion bei Bell entsteht in seinem Kopf meistens erst während der Ballannahme, allerdings versteht er es, Situationen sehr schnell zu erkennen und auch unter starkem Druck noch saubere Pässe zu spielen, trotzdem ist er insgesamt nicht zu 100% genau und hat auch noch häufiger kleinere Ungenauigkeiten und Ballverluste in seinem Spiel, aber dazu komme ich später nochmal.
Gegen den Ball ist er wirklich sehr ordentlich, er hat auch defensiv ein klasse Spielverständnis, fängt extrem viele Bälle ab (99. Perzentil bei Interceptions), hat gute Zweikampfquoten, ist gegen den Ball ständig in Bewegung, um Lücken zu schließen oder Gegner während oder kurz nach der Ballannahme in Zweikämpfe zu verwickeln und gewinnt auch ne sehr ordentliche Anzahl seiner Zweikämpfe. Er erkennt auch Pressingsituationen sehr ordentlich, löst sich immer wieder im richtigen Moment von seiner Position, um Druck zu machen und er kann auch in statischen Situationen gut verteidigen. Seine Zweikampfführung ist auch recht klassisch, er setzt seinen Körper gut ein, das Timing ist okay, aber ausbaufähig, insgesamt ist er aber dabei auch recht fair und kein extrem harter Zweikämpfer, er hat in seinen zwei Saisons in Norwegen jetzt einmal vier und einmal fünf gelbe Karten bekommen, das ist für nen Sechser völlig normal.
Was bei Bell natürlich direkt auffällt, ist sein hoher xA-Wert für seinen Sechser, 66 key passes sind für nen Sechser in 27 Einsätzen ebenfalls absurd gut, das liegt aber auch daran, dass er bei Viking Standardschütze war. Seine Standards waren sehr ordentlich, er hat so auch einen großen Teil seiner elf Vorlagen in Norwegen erzielt, aber die Abnehmer sind bei Viking eher mäßig. Aber auch aus dem Spiel heraus stößt er für einen Sechser recht oft nach vorne und bereitet so auch recht viele Torchancen vor, der offensive Output ist für nen Sechser wirklich gut, Torgefahr strahlt er aber absolut gar nicht aus.
Das größte Problem bei Bell ist imo zum einen sein Tempo, sowohl im Kopf als in den Beinen, als auch die schlechte Ausbildung, was zu Teilen dann auch zusammenhängt. Sein Positionsspiel ist teilweise wild, seine Vorstöße auch, die Entscheidungen trifft er teilweise sehr spät, was dann die Ausführung beeinträchtigt etc. Er wurde halt nicht in nem Top-NLZ ausgebildet und schon die Umstellung von den USA nach Norwegen hat seine Zeit gebraucht, die Umstellung Norwegen zu Top-Liga wird daher auch Zeit benötigen. Grundsätzlich ist er vom Niveau her aber schon sehr ordentlich dabei, das Potential, das er insbesondere vom Spielverständnis und im Passspiel andeutet, ist bockstark und körperlich sollte er es in ner Top-Liga auch locker packen, man müsste sich aber eben die Zeit dafür nehmen. Ein halbes Jahr zweite Liga und dann Bundesliga wäre imo ein sehr guter Schritt für ihn, Viking verlangt für ihre Talente auch keine Unsummen. Das Risiko, dass er ohne Hilfe die Umstellung aber nicht packt, ist definitiv da, sein nächster Verein wird sich bei der Integration auf jeden Fall ranhalten müssen.
Und wenn man sich schon unbedingt mit nem Achter beschäftigen will, dessen Vertrag im Sommer ausläuft,
gibt es hier noch nen ziemlich interessanten Bericht über Magnus Kofod Andersen, den ich hier deutlich lieber sehen würde als einen Pascal Groß.