So sehr ich mich gerne dafür ausspreche, dass private Gewinne nicht auf dem Rücken öffentlicher Ausgaben generiert werden sollten, und so sehr ich die Argumente FÜR eine Beteiligung der Vereine/DFL/des DFB an den Einsatzkosten der Polizei verstehen kann, so sehe ich doch 2 Schwachpunkte in der Argumentation (die nicht-juristische wohlgemerkt), die mich an der Sinnhaftigkeit des Urteils zweifeln lässt.
1) Die Legitimation
Wie von Mäurer, einigen Usern hier im Faden und von dem Mainzer Politiker zu hören, wird eine Beteiligung damit legitimiert, dass die DFL und die Vereine Milliarden € an Gewinn erzielen und sich deshalb an Kosten beteiligen sollten. Doch was ist, wenn es diese Gewinne nicht gäbe? Wenn Fußball ein defizitäres Geschäft wäre? Ich weiß, das ist hypothetisch, doch für eine moralische wie auch für eine juristische Beurteilung ist das irrelevant. Denn man muss ein übergeordnetes Prinzip finden. Man kann eine Kostenbeteiligung nicht daran festmachen, ob jemand Gewinne erzielt oder nicht. Die Begründung muss zwingend eine andere sein.
Hervorgehoben wird auch die unverhältnismäßige Mehrbelastung der Polizei. Dies allerdings ist ein systemisch immanentes Problem, weder Werder noch die DFL trifft die Schuld an mangelhaften Polizeistrukturen wie die Anhäufung von tausenden Überstunden. Hier findet argumentativ eine Verschiebung der Verantwortlichkeit statt, die keine überzeugende Begründung darstellt.
Auch wenn es mir selbst sympathisch ist zu rufen, "der dicke Geldbeutel soll bezahlen!" ist dies KEINE nachvollziehbare Legitimation und ich konnte auch noch keine irgendwo lesen.
Aus meiner Sicht sind weder Werder noch die DFL noch der DFB noch der Sport an sich noch andere Vereine "Schuld" an Vorkommnissen, die Polizeieinsätze nach sich ziehen. Im Gegenteil, alle Parteien propagieren friedlichen, respektvollen Umgang miteinander. Die Vereine versuchen sogar die "Störfälle" zu entfernen. Die "Schuld" ist allein bei Individualtätern oder einzelnen Gruppierungen zu sehen.
2) Die Verantwortung
Politik bedeutet, Punkte auf Schiefen Ebenen festzulegen. Dazu gehört auch abzuwägen, ab welchem Punkt ein privater Ausrichter Polizeieinsätze zu bezahlen hat und ab wann die Gesellschaft als Ganzes die Kosten trägt. Das Spektrum reich von Facebookpartys bis zur Bundesliga. Vom Straßenflohmarkt hin zum Cristopher Street Day. Wo legt man die Grenze fest? Ich halte die Bundesliga für ein gesamtgesellschaftlich gewolltes Ereignis. (Was natürlich nicht bedeutet, dass JEDER EINZELNE diese wünscht.) Ich stehe mit dieser Einschätzung nicht allein, vor einigen Seiten hat jemand eine Studie zitiert, oder siehe die extensive Berichterstattung durch öffentlich-rechtliche Medien. So ist es also irrelevant, wenn nicht alle Bundesliga oder konkret Werder schauen und unterstützen. Ich habe keine Kinder, dennoch ist es in Ordnung, dass meine steuern für Kitas aufgewendet werden. Vielleicht habe ich eine Sonnenallergie und nutze keine öffentlichen Parks, vielleicht bin ich taub und gehe nicht ins Theater. Die Frage ist also, wo der punkt festgelegt wird, ab dem man nicht mehr von einem gesamtgesellschaftlichen Interesse sprechen kann und demgemäß auch keine staatliche Kostendeckung mehr gewährleistet werden sollte. Bundesliga und Werder liegen hier für mich eindeutig im gesellschaftlichen Interessensspektrum.
Ich halte also diese jetzt beschlossene Festlegung für verfehlt. Sie hilft nicht die Ursachen zu bekämpfen, wälzt Kosten auf die falschen Akteure ab, verkennt das gesamtgesellschaftliche Interesse an den Veranstaltungen und legitimiert sich auf extrem dünnem Eis.
Bleibt unterm Strich, was längst entlarvt wurde: ein Versuch des Landes Bremen Geld zu generieren auf Kosten der eines allgemeinen Interesses in dem von mir oben dargelegten Sinne. Absolut falsch, verachtenswert und ich hoffe, das Urteil wird noch gekippt.
Um schlussendlich aber konstruktiv zu bleiben: was tun? Wenn man ein Problem erkennt, dann sind es die hohen Kosten für die Sicherheitsgewährleistung während eines Bundesligaspiels und nicht der falsche Rechnungsadressat. Es muss also das "Risiko" aus "Risikospiel" minimiert werden. DAfür braucht es noch bessere Kooperation zwischen DFL/Vereinen, Fangruppen und der Polizei. Zur besseren Findung von Sicherheitskonzepten und zur Findung der eigentlichen Individualtäter. Vielleicht wäre es denkbar, einvernehmliche Kompromisse zu finden. DIE DFL könnte einen Topf generieren, aus dem Anteile für "Risikospielkosten" geschöpft werden. Andernfalls würden möglicherweise einzelne Vereine unverhältnismäßig belastet, vor allem wenn andere Bundesländer nachziehen sollten und niederklassige Clubs plötzlich bezahlen müssten. Es müsste in diese Fall eine DFL/DFB-weite Teilfinanzierungssolidarität geben, will man nicht einzelne kleinere Vereine in den Ruin treiben (Hansa wurde schon als Beispiel genannt). Schlussendlich müssen aber auch die Ursachen angegangen werden. Vereine, Fangruppen und Mannschaften der "Risikopaarungen" müssen den langwierigen Prozess der Annäherung beginnen. Zeichen müssen gesetzt werden. Werder- und HSV-Spieler sollten gemeinsame PR-Aktionen starten, statt von Rivalität zu blöken. Würze, Schärfe und Feuer sind auch ohne dies mehr als genug im Spiel, das muss nicht weiter angeheizt werden. Vielmehr müssen wir die Flamme runterdrehen, bis auch die Hardcore-Fans auf Rivalität köcheln und nicht auf Feindseligkeit kochen.
tl;dr: blöd.