Man kann von Sascha Lobo halten, was man will. Ja, er gibt sich gerne als der Vorreiter, der Retter, der Erlöser des deutschen Internets aus, ja, er fühlt sich wohl und auch ein wenig geil als der Trollmagnet schlechthin, ja, er singt für seelenlose Mobilfunkunternehmen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber er muss irgendetwas richtig gemacht haben, denn das digitale Volk lauscht jedem seiner Worte mehr als bedächtig – und gestern trieb er es auf die Spitze. Erneut.
In seinem taktisch einwandfreien Akt der kollektiven Ohrfeige ähnelte Sascha Lobo mehr einem wütenden Diktator als einer wagemutigen Netzfigur. Der Hauptsaal der diesjährigen re
ublica war prall gefüllt mit allerlei angespannten Journalisten und grinsenden Bloggern und schreienden Kindern. Jeder wartete auf eine verbale Explosion der Art, die Gedanken anstößt und Veränderungen mit sich bringt. Und keiner von ihnen, ausnahmslos niemand, wurde enttäuscht.
Die große Bühne mit den animierten Bäumen erstreckte sich vor uns, wir hatten Bier in unseren Händen und Groll in unseren Herzen – über die NSA, über Angela Merkel, über die Art und Weise, mit der uns unsere und andere Volksvertreter verarschen und das Internet zu Grunde richten. Am Ende waren wir nichts weiter als ein aufgebrachter Mob. Und zwar zurecht.
Menschen, deren Lebensaufgabe es zu sein scheint, das Internet für ihre fadenscheinigen Zwecke zu missbrauchen, setzen darauf, dass wir ruhig ein wenig entrüstet sein dürfen, seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden, aber irgendwann ist’s auch wieder gut, dann kommt eh der Sommer. Und der nächste Skandal. Und vergessen ist das Thema. Aktionslos.
Jawohl, seine Rede ist lang, aber sie ist wichtig, für uns alle, weil sie uns noch einmal vor Augen führt, wie gefährlich es ist, dieses schleichende Gefühl von zuckersüßer Zufriedenheit, obwohl wir nichts verändert haben, gar nichts, mit unseren Tweets und Petitionen und Blogartikeln. Denn was wirklich zählt, das ist Hartnäckigkeit, Professionalität – und Geld.
Man kann von Sascha Lobo halten, was man will. Aber er hat Recht, dieser Mann mit dem Hahnenkamm hat Recht, mit jedem einzelnen gesprochenen Wort, und wir sollten ihm nicht nur zuhören, sondern seine Forderungen erfüllen, wir, die wir uns mit großkotzigen Konferenzen und glänzenden Laptops und konsequenter Selbstbeweihräucherung als die Elite des Internets aufspielen, wir, die vergessen haben, wie wir effektiv etwas bewegen können. Denn wenn wir jetzt nichts gegen die ungezügelten Schatten unternehmen, dann ist es zu spät – und alle, die nach uns kommen, müssen mit den Konsequenzen leben.