Schach...

[Grinch]

@Azraael:

Er hat zugegeben, als Kind bzw. Jugendlicher im Online-Schach geschummelt zu haben. Das ist zwar auch verwerflich, aber die Hemmschwelle liegt dort doch wesentlich niedriger. Vermutlich hat der ein oder andere hier im Forum auch schonmal bei einem Onlin-Spiel geschummelt.

Bei den "statistischen Hinweisen" war für mich bisher nichts überzeugendes bei. Ken Regan, vielleicht der führende Schachbetrugsexperte weltweit, kommt zu einem anderen Schluss:

Dr. Regan hat alle Partien analysiert, die Hans Niemann in den letzten zwei Jahren gespielt hat, einschließlich der Online-Partien, die er bei Chess.com und bei Chess.com Turnieren gespielt hat, und seine Schlussfolgerung lautet, dass es keinen Grund gibt, Niemann des Betrugs zu verdächtigen.

Dass die große Bandbreite der Ergebnisse, von denen einige gut und einige schlecht sind, zu einer Glockenkurve führt, ist dabei eigentlich ein Zeichen für eine gesunde Verteilung der Ergebnisse. Viele der so genannten Verdachtsmomente sind in Wirklichkeit ganz normal, und der Betrugsverdacht ist in Wirklichkeit das Ergebnis einer fehlerhaften Analyse durch eifrige Amateure. Auch online weisen seine Partien keine Ungewöhnlichkeiten auf.

(chessbase.com, Hervorhebung von mir)

[Direkte Ecke]

... und dann guckt man sich einmal Folgendes an:

1. https://twitter.com/ATL_kings/status...56197812891653

2. Werte vom Sinquefield-Cup:

Ergebnis von Hans Moke Niemann beim Sinquefield Cup 2022:
Die ersten drei Partien mit Live-Übertragung:
2,5 Punkte aus 3; Gegner-Durchschnitt: 2792; Performance 3.375 !!
Die nächsten sechs Partien bei zeitversetzter Live-Übertragung;
2 Punkte aus 6; Gegner-Durchschnitt: 2767; Performance 2533

(Quelle: https://de.chessbase.com/post/neuest...schach-skandal -> Kommentare!)

3. https://www.youtube.com/watch?v=jfPzUgzrOcQ

Plus das, was wohl chess.com noch in der Pipeline hatte, um ihn mit seinem Account zu sperren. Und sein (Teil-?) Geständnis.



Ich bin ein wirklich lausiger Schachspieler, Anfänger, habe es nie richtig gelernt, geschweige denn Turnier- oder Vereinsschach gespielt. Für mich ist das aber etwas mehr als verdächtig. Bzw. ich bin überzeugt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

[johnny_s]

live ist er halt AlphaZero

[Grinch]

1. https://twitter.com/thestrongchess/s...10062399021062 (Ich kenne beide Accounts nicht, keine Ahnung wer Recht hat. Fällt für mich erstmal unter die Kategorie "übereifrige Amateure mit fehlerhaften Analysen.)

2. Der Druck, der durch Carlsens Aktion für Niemann entstand dürfte auch sein Spiel beeinflusst haben. Ähnlich wie Carlsen uncharakteristisch schlecht gegen Niemann gespielt hat, weil er vermutete gegen einen Cheater zu spielen. Was dann natürlich das Performance Rating für die sehr kleine Menge der ersten 3 Spiele massiv nach oben treibt.

3. Da hatte ich bisher noch keine Zeit mich mit der Methodik auseinanderzusetzen. Ich hab auch noch keine Erklärung gefunden, wie der Chessbase Let's check Algorithmus überhaupt funktioniert, da wäre ich für hilfreiche Links sehr dankbar.

[Azraael]

Wie der Algorithmus genau funktioniert ist glaube ich nicht so wesentlich, solange er eine einigermaßen sinnvolle Korrelation von Computerzügen zu Zügen im Spiel herstellt. Ist natürlich trotzdem interessant, aber wenn man davon ausgeht, dass das sinnvoll ist ist eigentlich nur noch interessant wie außergewöhnlich Niemanns mehrere 100% Ergebnisse im Vergleich zu anderen Spielern sind.

Da wäre es interessant, wenn jemand dafür eine Statistik erstellt. Hat das vielleicht schon jemand gemacht? Ich habe da bisher nur annekdotische Dinge gelesen / gesehen, die aber bisher darauf hinweisen, dass auch sehr starke Spieler so eine Wertung selten erreichen.

[Grinch]

Ich halte es schon für interessant, da der Algorithmus von Regan auch auf solchen Computeranalysen basiert, und er keinerlei Hinweise für unfaires Spiel sieht. Anders gesagt wird Niemann vorgeworfen er hätte ein System gefunden, dass den Cheatdetektor von Regan überlistet, den von Chessbase/Yosha jedoch nicht.

Irgendwo muss diese Diskrepanz ja herkommen.

Edit: Yosha räumt auf Twitter übrigens Fehler in ihrer Analyse ein. Unklar, wie viel Auswirkung das auf ihre Interpretation hat.

[Azraael]

https://twitter.com/ty_johannes/stat...bAr-qsVoQ&s=19


Hier hat wohl jemand die Let's check Analyse für Magnus Spiele seit 2020 gemacht. 2 mal 100%, 2 mal über 90%. Wenn diese Metrik etwas taugt sieht das nicht gut für Niemann aus. (Laut dem Tweet 10 100% Spiele + 23 über 90% im gleichen Zeitraum)

Hans hat in der Zeit wohl ca. drei mal so viele Spiele gemacht wie Magnus. Selbst wenn man annimmt, dass er genau so gut ist wie Magnus wäre die Zahl meiner Meinung nach recht hoch.

Edit: Ich habe aber mittlerweile etwas Zweifel an dieser "Let's check" Methode.

[Grinch]

Nachdem in weiten Teilen des Internets diese "Let's check" Analysen von Chessbase als die Smoking Gun im Prozess gegen Hans Niemann vorgebracht wurde, hab ich mir das jetzt doch nochmal genauer angeschaut. Mein Fazit: Komplett nichtssagend.

Oft wird argumentiert, dass Niemann in den berüchtigten zehn "100%-Spielen" absolut fehlerfrei gespielt hat. Stockfish beispielsweise findet aber einige Ungenauigkeiten in diesen Spielen und sogar einen "groben Patzer" (Lichess Studie der Spiele). Dort ist also schon der erste Fehler in der Interpretation. Denn das ist überhaupt nicht das, was diese ominöse "Engine-Korrelation" aussagt.

Chessbase funktioniert so, dass jede*r sich Spiele anschauen und auch analysieren kann. Tut man dies mit einer beliebigen Engine, wird das Ergebnis der Analyse automatisch in die an den Server übermittelt. So bekommt Chessbase eine Datenbank, die diese Spiele mit relativ vielen Engines (mit verschiedenen Einstellungen, Rekursionstiefen etc.) verknüpft. Alles, was der Algorithmus dann macht, ist sämtliche Züge der Partie (ausgenommen von Bucheröffnungen) einzeln mit all diesen von den Computern vorgeschlagenen "besten" Zügen zu vergleichen. Stimmt der Zug mit irgendeinem dieser Vorschläge überein, dann zählt der Algorithmus dann als Treffer, sonst nicht. Insbesondere sagt ein hoher Prozentsatz nicht, dass man einer Engine bei diesem Spiel gefolgt ist, sondern nur, dass viele Züge auch für Computer hinreichend plausibel erscheinen.

Diese Vorgehensweise führt dann auch relativ direkt zu der statistischen Anomalie, dass Niemann außergewöhnlich viele solcher Partien haben soll (das halte ich übrigens auch nicht für sonderlich gut belegt). Denn nach den Vorwürfen gegen Niemann sind seine Spiele eben ganz besonders unter die Lupe genommen worden. Wenn sich viele Schachinteressierte nun über Chessbase seine Spiele anschauen und mit ihren jeweiligen Lieblingsengines (so gut oder schlecht die auch sein mögen) analysieren, gibt es einfach deutlich mehr Züge, die einen "Treffer" bedeuten. Bessere Trefferwahrscheinlichkeit => Mehr 100%-Partien. Dieses Phänomen sieht man auch in dem angeblichen "Evidence"-Video, wo neben zahlreichen Versionen von Fritz, Stockfish und Komodo auch Exoten wie "New Engine" auftauchen.

All das lässt übrigens komplett außer Acht, dass Niemann in der angesprochenen Zeit vermutlich viele Spieler gegen Gegner gemacht hat, die deutlich unter seinem echten Niveau sind. Da ist es dann möglicherweise auch leichter, die besten Züge zu finden als in den hochkomplexen Stellungen, die in Spiele zwischen Carlsen und Nepo beispielsweise auftauchen.

Das ist leider das Problem, dass Regan mit "faulty analysis by zealous amateurs" beschreibt. Jemand benutzt ein Tool dass man selbst wenig bis gar nicht versteht (Aus dem Video "There is this thing in chessbase, that I wasn't aware of until yesterday." - das hätte schonmal eine Warnung sein können), und alle, die damit ihr Weltbild zementiert sehen, springen drauf an.

Alles in allem - Ich sehe weiterhin keine überzeugenden Indizien, dass Niemann jemals im Präsenzschach geschummelt hat. Wie das Online aussieht ist schwieriger zu beurteilen, da chess.com den Cheat-Detection-Algorithmus ja geheim hält.

Edit: Das ganze ist übrigens keine Kritik an der "Lets check"-Methodik von Chessbase, die ist durchaus ganz interessant. In der Dokumentation wird ja auch extra darauf hingewiesen, dass sie zur Cheat-Detection nicht geeignet ist.

[hans koschnick]

Ich habe bei der ganzen Debatte um Betrug/Nichtbetrug den Eindruck, dass die beiden Protagonisten jeweils Hyper-Nerds sind - wobei einer dem anderen absolut nichts gönnt und keiner der beiden (besonders Carlsen!) nicht gut verlieren kann!

[Soler]

Ich habe bei der ganzen Debatte um Betrug/Nichtbetrug den Eindruck, dass die beiden Protagonisten jeweils Hyper-Nerds sind - wobei einer dem anderen absolut nichts gönnt und keiner der beiden (besonders Carlsen!) nicht gut verlieren kann!

Das ist halt gerade bei Carlsen nicht der Fall, er gehört zu den fairsten Spielern der Schachwelt, letztes Jahr hat bspw. sogar absichtlich beim Online Schach verloren, weil sein Gegner Probleme mit der Internetverbindung hatte.
Als schlechter Verlierer ist er nie aufgefallen - hat ja sogar kampflos sich nur vom Weltmeisterkampf zurückgezogen.

Für mich halt deswegen ein klares Indiz, weswegen ich eher Carlsen glaube als jemanden der bereits mehrfach beim Schummeln erwischt wurde und dessen ELo in sehr geringer Zeit in die Höhe schnellte.

[Grinch]

Das hat ja nichts mit schlechtem Verlierertum zu tun - das Match gegen Ding war sicherlich eine sehr faire Geste, aber er wollte zeigen, dass er Ding auch ohne das Glück mit der Internetverbindung zu haben. Er hat das Spiel schlussendlich auch gewonnen.

Fairerweise muss man sagen, dass Carlsen auch wenig Gelegenheiten hatte zu zeigen, ob er ein guter oder schlechter Verlierer ist. Aber auch die Niederlage gegen Karjakin bei der WM 2016, wo er nach dem Spiel die eigentlich verpflichtende Pressekonferenz geschwänzt hat, zeugt nicht unbedingt von Größe in solchen Momenten.

Vermutlich braucht man schon ein relativ großes Ego, um in die absolute Weltspitze irgendeines Sportes zu kommen. Das bringt aber auch Schattenseiten mit sich.

[AgentOrange]

Laut Caruana hat Carlsen schon vor Beginn des Sinquefield Cups überlegt abzureisen, weil er Niemann nicht traut. Seine Niederlage war also eher Auslöser als Grund.

[hans koschnick]

Ach schnickschnack - papperlapapp!

Anstatt sich in vagen Andeutungen zu ergehen, soll Carlsen klar und deutlich sagen, was er zu sagen hat. Idealerweise mit wasserdichten Belegen.
Tut er allerdings (noch?) nicht, und insofern macht sein Verhalten auf mich einen recht trutzigen und wenig "sportsmanliken" Eindruck.

[johnny_s]

Carlsen völlig out of character. Und Niemann ist sowas von sus, den würde ich insta rausvoten.

Hoffe, ich habe mich prägnant ausgedrückt.

[Flo]

Recht deutlich hat sich Magnus ja nun positioniert. Nur die Belege hat er nicht gebracht, daher scheint er nicht viel Handfestes zu haben, oder? Das zu offenbaren sollte rechtlich weniger gefährlich sein, als unfundierte Anschuldigungen, würde ich meinen.

Spiele gerade sehr viel Catalan mit Weiß, was für ein starkes opening! Damit bin ich bisher nur ganz selten in Bedrängnis gekommen, vor dem middle game.