Zitat von
Norge
Was mich stört zwei andere Dinge:
1. wenn Baumann sich schon genötigt fühlt, am Sonntag nach der Kritik von Reif im Doppelpass seine getätigten Worte nochmal richtig zu stellen, so erwarte ich einfach, dass er das dann auch gut macht. Klar war doch von Anfang an, dass das Problem in Baumanns Aussage der Ausdruck "besserer Trainer" ist. Wenn man schon das Wort "besser" so allgemein nutzt, dann sollte man spätestens im zweiten Versuch genauer erklären, was man damit meint. Denn, was ist denn überhaupt ein "besserer Trainer"? Ist er in allen Belangen besser als Kohfeldt oder nur in bestimmten, für Werder wichtigen Bereichen? Hätte Baumann ein wenig nachgedacht oder gute Berater gehabt, dann wäre es für Baumann recht einfach gewesen, das ganze Thema wieder einzufangen. Er hätte nur wiederholen müssen, dass man von Kohfeldts fachlichen Qualitäten von Anfang an überzeugt war und ist und dass man ihm natürlich zutraut, sich in der Bundesliga zu behaupten. Sonst hätte man ihm sicher nicht einmal übergangsweise die BL-Mannschaft anvertraut. Aber - auch das war bekannt - man hat sich eben gewünscht, dass zusätzlich zur fachlichen Qualität eine gewisse Erfahrung in der Bundesliga und im BL-Abstiegskampf (der aufgrund der anderen öffentlichen Aufmerksamkeit nochmal was anderes ist, als Abstiegskampf mit der 2. Mannschaft in der 3. Liga) vorhanden ist. Und diese zusätzliche Erfahrung ist das, was die angesprochenen Trainer für Werder in der aktuellen Situation zu "besseren Trainern" gemacht hätte als Kohfeldt. Fertig. Natürlich kann man sich dies auch aus Baumanns getätigten Worten irgendwie zusammenreimen (ergibt ja auch Sinn), aber es wird halt nicht gemacht. Und ein guter Bundesligamanager sollte einfach auch in der Lage sein, sich in der Öffentlichkeit so auszudrücken, dass man nur mit großer Böswilligkeit etwas anderes aus seinen Worten herauslesen kann. Das war gemessen an den Fähigkeiten, die ein Geschäftsführer Sport auf dem Gebiet Öffentlichskeitsarbeit mitzubringen hat, ganz einfach ziemlich schwach von Baumann. Ich würde mir wünschen, dass ihm da mal ein Medienprofi zur Seite gestellt würde, der ihn solche Untiefen in Zukunft besser zu umschiffen hilft.
Das 2. Ding, das mich an der Sache stört, geht aber noch ein Stück über die reine Formulierung Baumanns hinaus. Wenn man nämlich einen Trainer gesucht hat, der die fachliche Qualifikation mitbringt, die man auch Kohfeldt zuschreibt und der zusätzlich noch ein mehr an Erfahrung mitbringen soll und wenn man das dann nicht schafft (was ich Baumann ohne zu wissen, welche Möglichkeiten es gab und wen man angefragt hat, gar nicht vorwerfen würde), dann erwarte ich von einem guten Manager einfach, dass er nicht einfach die B-Lösung nimmt, bei der man halt Abstriche machen muss, sondern dass ein Plan B auch Ideen für Herangehensweisen beinhaltet, wie man die fehlende Eigenschaft (hier: Erfahrung) bei der B-Lösung auf andere Art ausgleichen kann. Ein Manager mit Weitsicht hätte hier eine ganz andere Geschichte zu erzählen gehabt, die den Nachteil, keinen Trainer mit Erfahrung verpflichtet zu haben, in eine weitestgehend positive Geschichte verwandelt hätte. Hier hätte es meiner Meinung nach schon gereicht, wenn Baumann angekündigt hätte, dass Kohfeldt noch ein erfahrener Mann (sei es als Co-Trainer, sei es als persönlicher Coach) zur Seite gestellt wird, der diese fehlende Erfahrung ins neue Trainerteam bringen kann. So wirkt das ganz schon ziemlich schicksalsergeben von Baumann (und Werder) und man bekommt leicht das Gefühl, als ob Werders nähere Zukunft nur noch in Kohfeldts Händen läge, während Baumann & Co ab jetzt tatenlos zuschauen müssen. Oder habe ich im medialen Rauschen der letzten Tage eine Aussage Baumanns übersehen, in der er erklärt, wie man gedenkt, die fehlende Erfahrung auszugleichen und wie man Kohfeldt in der für ihn schwierigen Situation gezielt stärken will?
Insgesamt hatte ich mir insgeheim erhofft, dass man bei Werder in der Trainerfrage eine Lösung präsentiert hätte, die über: "wir wollten gerne Trainer A, B oder C verpflichten, müssen jetzt aber mit Trainer D auskommen, dem wir unser vollstes Vertrauen geben und alles gute Wünschen" hinausgehen. Das hätte z.B. in die Richtung gehen können, dass man Tuchel (Platzhalter für: "Trainer mit höheren Ambitionen als Werder") überzeugt, nur für diese Saison Werder zu übernehmen mit Kohfeldt als Co-Trainer. Dieser hätte dann neben einem echten Profi viel lernen können, um zur neuen Saison dann selbst hauptverantwortlich und viel besser vorbereitet als jetzt die Mannschaft als Cheftrainer zu übernehmen.
Es ist jetzt völlig egal, ob das genannte Beispiel mit Tuchel jetzt realistisch gewesen wäre oder nicht - ich wünsche mir einfach schon länger mal etwas mehr innovative Ideen bei Werder. Denn, wenn Werder auch weiterhin alles genau so macht wie konkurrierende Vereine, wird nur die mit Geld zu verpflichtende Qualität den Ausschlag geben. Und da wäre Werder gegenüber den meisten Vereinen im Nachteil. Ohne neue Geldquellen hat Werder in meinen Augen nur dann eine Chance, sich weiterhin in der Bundesliga zu behaupten, wenn man Wege findet, die fehlende Qualität (Spieler, Trainer) durch kluge Maßnahmen ein gutes Stück weit auszugleichen. Denn "survival of the fittest" bedeutet ja nicht, dass der stärkste (hier: der mit dem meisten Geld) überlebt, sondern derjenige, der am besten an die Umwelt angepasst ist. Diese Anpassung geht natürlich mit zusätzlichem Geld am einfachsten, ist aber nicht die einzige Möglichkeit, sich gut an die Begebenheiten anzupassen. Dafür müsste man sich aber mal einige sogenannte "Gesetze des Marktes" noch etwas genauer anschauen und überlegen, ob es sich dabei wirklich um unveränderliche Gesetze handelt oder vielleicht doch nur um Probleme, die man durch geschicktes Handeln vielleicht ein paar mal öfter umgehen kann als die Konkurrenz.
Mein Problem ist allerdings, dass ich bei Werder niemanden in führender Position sehe, dem ich innovative Ideen zum Wohle von Werder zutrauen würde. Gerade deshalb wünsche ich mir händeringend für die neu zu schaffende Stelle des technischen Direktors eine Person von außerhalb, die bereits in anderen (im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfolgreichen) Vereinen gearbeitet hat und so einfach neue Ideen und Ansatzpunkte mit einbringen würde. Einer so homogen besetzte Organisation wie Werder zur Zeit traue ich einfach nicht zu, die notwendigen Änderungen schnell genug zu erkennen, geschweige denn umzusetzen. Und aus diesem Grund habe ich wirklich große Sorge um die Zukunft Werders - nicht so sehr wegen des aktuellen Tabellenplatzes, den mageren Punkten oder den wenigen selbst geschossenen Toren.