Spritzen sind alles andere als meine Freunde. Trotzdem ging ich im Jahr 2006 zu einer Typisiergungsaktion der DKMS, die in Brake durchgeführt wurde. „10 Milliliter Blut weniger bringen mich nicht um, es ist für einen guten Zweck und außerdem höre ich danach sowieso nie wieder etwas von denen“, dachte ich. Doch bekanntlich kommt es erstens anders und zweitens als man denkt.
Nur ein Jahr nach meiner Typisierung bekam ich einen Anruf der DKMS. Erste Gewebemerkmale hatten ergeben, dass ich der passende Spender für einen Leukämiepatienten sein könnte. Um aus dem Konjunktiv einen Imperativ zu machen, musste ich zum Hausarzt und mir weitere 60 Milliliter Blut abnehmen lassen, damit weiterführende Tests von der DKMS durchgeführt werden konnten. 60 Milliliter! Da war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das überleben würde. Aber es ging zum Glück alles gut. Einige Wochen später bekam ich aber die Nachricht, dass man sich für einen anderen Spender entschieden habe. Ich hatte also umsonst gelitten. Egal, die Hauptsache ist, dass dem Patienten geholfen werden kann.
Das war es dann wohl mit meiner Spenderkarriere… zumindest für ein halbes Jahr. Dann ging das Spiel von vorne Los: Anruf DKMS, Blutabnahme Hausarzt, Untersuchung der Proben wiederum durch die DKMS. Und diesmal ging alles ganz schnell. Es stellte sich heraus, dass ich der passende Spender war und wurde sofort zu einer intensiven Untersuchung nach Hameln eingeladen. Da ich schon um 8 Uhr in der Klinik sein sollte, übernachtete ich Tags zuvor in einem Hotel. Diese wie auch alle anderen mir entstandenen Reisekosten wurden durch die DKMS ersetzt.
In Hameln wurde ich auf Herz und Nieren geprüft. Ultraschall, Lungenfunktionstest und… mal wieder eine Blutabnahme. Wie viel es war, wollte ich gar nicht wissen. Meiner Meinung nach auf jeden Fall zu viel. Am Ende der Untersuchung bekam ich dann noch eine Tasche, gefüllt bis oben hin mit Spritzen. 4 Tage vor der Stammzellentnahme sollte ich beginnen, mir selber täglich 3 Spritzen zu geben, damit die Stammzellproduktion angeregt wird und sich im Blut verteilt. Zum Glück gibt es für so etwas Mütter, die ihre Kinder scheinbar liebend gerne mit solchen Dingen quälen. Die Spritzen hatten Nebenwirkungen, die sich in einer Erkältung und Gliederschmerzen, vor allem im Rücken und Brustkorb, äußerten.
Da auch die Entnahme der Stammzellen schon früh morgens begann, durfte ich noch ein zweites Hotel in Hameln begutachten. Aber da waren ja noch 3 kleine Spritzen, die am Tag der Entnahme nur darauf warteten, alle gleichzeitig in meinem Körper zu verschwinden. Was also tun? Keine Mutter weit und breit in Sicht und verstümmeln würde ich mich freiwillig nie selber. Dafür hatten die ansonsten sehr netten Krankenschwestern aber ein offenes Ohr.
Und dann ging es auch schon los. Nachdem ich es mir im Krankenbett gemütlich gemacht hatte, wurde es auf einmal etwas unbequemer. Plötzlich hatte ich links und rechts im Arm je eine Nadel stecken. Aus einem Arm gelang das Blut in eine Zentrifuge, wo die Stammzellen herausgefiltert wurden. Das gereinigte Blut wurde durch die zweite Nadel wieder zurück in meinen Körper geführt. Kein Blutverlust also. Glück gehabt. Die Prozedur dauert knapp 4 Stunden, die man mit Filmen, Musik oder einer Unterhaltung mit den Krankenschwestern überbrückt. Nachdem für mich alles überstanden war, gab es ein Mittagessen im Krankenhaus. Danach ging es zurück ins Hotel und dort hieß es warten auf einen Anruf. Eventuell musste ich am nächsten Tag noch mal zur Entnahme, falls nicht genügend Stammzellen gesammelt wurden. Allerdings reichte bereits die Menge vom ersten Tag, sodass ich von meinen Pflichten als Spender entlassen war.
Jetzt muss ich für fünf Jahre alle sechs Monate zur Nachuntersuchung zu meinem Hausarzt und mir Blut abnehmen lassen. Freunde werden die Spritzen und ich aber trotzdem nicht mehr.