Hausmaus

[Jambo]

Rindsledercouch Herbert, das neueste Familienmitglied der Wegebrechts, schwante nichts Gutes als der Zylinder aufschnappte und kurz darauf die Tür mit Wucht derart wieder ins Schloss fiel, daß die edlen Holzfüsse auf dem Laminat nur so vibrierten. Vorbei wars mit der schönen Ruhe. Ein Wohlfühlwochenende in Abwesenheit des Familienvorstandes (dem Vernehmen nach ging es an die See)? Abgeschminkt! Eine unbekannte krächzende Stimme brachte den stets überparfümierten und knapp umhüllten Backfisch zügig zum kichern. Albernes Gewäsch, aber erträglich im Vergleich zu dem, was nun folgen sollte.

[Daniel FR]

"Sollte es mir nach dreißig Versuchen immer noch nicht gelingen, den Hosenknopf mit der Kneifzange zu schließen, kommt das kleine Schwarze in Betracht!"
So elaboriert beschreibt Seraphina-Iowa sich selbst die Misere, die sie vor ihrem angedachten Kirmesbesuch erdulden muss. Das kleine Schwarze wäre natürlich Tagesgespräch am Autoscooter, das lässt die beginnende Altersweisheit sie erkennen, und ihr nie versiegendes jugendliches Ungestüm lässt sie über die neu erkannten unendlichen Möglichkeiten des Klassikers der Abendgarderobe jubilieren.
Eine neue Zeit bricht an, die Dorfkirmes wird zum Studio 54 der niederrheinischen Tiefebene mutieren!

[Jambo]

Er entschied sich leichten Herzens den Abend mit Tagträumerei zu verschönern. Den ganzen Tag schon musste er wieder einmal allerelei Anstrengungen abwehren sich nicht kleinkarieren zu lassen. Da kommt die Abendschicht am Autoscooter nun wirklich nicht gerade gelegen. Solch Banalitäten erfordern einen freien Kopf - wer einmal eine Schubumkehrbremse in Aktion aus nächster Nähe bewundern durfte, wird dies leicht nachvollziehen können. Und überhaupt: Sollte tatsächlich erneut diese Zicke im kleinen Schwarzen auftauchen, kann eh für nichts garantiert werden. Sein Name ist Daniel und er ist verliebt.

[Daniel FR]

"Liebt ihr das Rumpeln und Knistern des Autoscooters auch so wie ich?" jauchzt Seraphina-Iowa ihren liebsten Dorfschönheitskonkurrentinnen zu und denkt dabei, dass die Musik eigentlich überflüssig ist, um die Kirmes als rauschhafte Kaskade bombastischer Sinneseindrücke zu erleben. Raffiniert kombinierte Kleinstdosen von auf dem Schwarzmarkt handelsüblichen Traditionsdrogen machen es möglich. Glänzende Aussichten, einen der gut gekämmten Mofarocker rumzukriegen, die lässig am Geländer lehnen, hat sie mit ihrer atemberaubenden Nonchalance sowieso. Der lange Lulatsch da drüben mit dem leichten sächsischen Akzent und dem weltmännischen Auftreten liegt im Rennen um ihre Gunst ziemlich weit vorne.

[Jambo]

"Ornee, 'schwer bleede!" lautete die Parole, die das cholerische Zerfetzen der Wettscheine begleitete. Auf der großen Leinwand im Public-Viewing-Bereich lief gerade noch einmal der Siegtreffer der Isländer in der allerletzten Spielminute. Scheibenkleister - die vermeintlich leicht verdienten Kröten waren eigentlich schon längst fest für die übliche Gockelei beim Autoscooter eingeplant. Zu allem Überfluss feiert nun auch noch dieser sonst dauerprokrastinierende Nerd im Islandtrikot, schüttet sich einen Ramazotti nach dem andern hinter die Binde und macht sich so interessant bei den Girls. Bei solch kritischer Gemengelage braucht es sofort einen Geistesblitz, um den Abend noch in Wohlgefallen aufzulösen.

[Daniel FR]

Allen aufzulösenden Substanzen schickt Seraphina-Iowa ein aufmunterndes Lächeln hinterher. Seit sie beim Praktizieren ihres Praktikums in der örtlichen Kokerei den jungen Vetriebler Ernst-Kevin kennengelernt hat, fühlt sie die Bereitschaft in sich aufkeimen, sich erwachsen zu fühlen. Auf diesen neuen Reiz reagiert sie aufgeschlossen positiv, ganz so, wie die von ihr frequentierten Lebensberatungs-Youtubechannels es zu tun nahelegen. Dermaßen gewappnet, hat sie es gewagt, Ernst-Kevin eine Audienz zu gewähren. Der Zeitpunkt steht schon fest, am Konzept feilt sie noch.

[Jambo]

Noch immer verweilen die schmalgliedrigen Hände des Geschäftsführers Werner Haßloch auf den vollfleischigen Schenkeln seiner emsigen Personalvermittlerin und heimlichen Büromanze Mandy Schultz – zärtlich und hingebungsvoll, zunehmend auch gründlich prüfend. Ist dies etwa Cellulite? Obacht – nichts anmerken lassen! Er setzt routiniert sein verbindliches Lächeln auf und beteiligt sich wieder angestrengt an den Gesprächen der allmorgendlichen Frühstücksrunde seiner Belegschaft. „Jaja, dafür ist das Wetter ja optimal!“ „Neinnein, viel zu teuer, nichts für mich.“ Und weiter? Wie am besten wird man denn um Himmels Willen diesen Hagelschaden wieder los? Und vor allem: Wer kommt als Ersatz in Frage? „Wie fandet ihr eigentlich die Praktikantin, die letztens hier die Akten sortiert hat?“ „Fräulein Seraphina-Iowa Wegebrecht? Ging so.“ „Wunderbar, mailen Sie mir doch nachher mal die Kontaktdaten.“

[Daniel FR]

Kontaktdaten? Mit so etwas hält Seraphina-Iowa sich gar nicht auf. Rangehen ist ihre Devise, und wer da nicht bei zwanzig auf den Bäumen ist, lernt auf die harte Tour, was aufmerksame Mädels, die sich jahrelang in der Dorfdisco gestählt haben, so alles aus dem Ärmel zu schütteln wissen. Da weiß die Herzklappe bald nicht mehr, was die Leber zum Überleben braucht. Und das alles im Four to the Floor! Die "Ging so."-Fraktion hat sie längst abgehakt, die haben eh nichts zu bieten. Mit ihrem heißen Radarblick checkt sie die Fähigkeiten des offensichtlich unerfahrenen Geschäftsführers ab und entscheidet, dass er Ernst-Kevin nicht das Wasser reichen kann. Pech gehabt, Werner, diese Party läuft ohne dich!

[Daniel FR]

Dichter und Denker! Kommt in diesen Thread! Hier steppte einst der Li-La-Launebär!

[The Flamingo]

"Ärmel hochkrempeln, das ist die Devise!" schrie der Küchenchef seinen Lehrling an. Dieser hatte sich mal wieder eine 7-Minuten-Raucherpause genommen - ausgerechnet während der wichtigsten Phase des Mise en Place. "Die Gewürze, du hast die Gewürze falsch sortiert" schnaubte der Küchenchef und fuhr fort: "Du kannst den Bockshornklee doch nicht neben Kubeben-Pfeffer stellen, was bringt man dir eigentlich in der Berufsschule bei? Hast du etwa nichts verstanden?!". Der Lehrling schaute verunsichert auf den Küchenboden und sein Gesicht wurde rot wie das Innere des Filet Mignons, welches diesen Abend auf der Tageskarte stand. Ihm war der Fehler bereits letzten Samstag unterlaufen, der Chef hatte es nur nicht mitkommen. "Meine Schusseligkeit bringt mich noch um Kopf und Kragen" dachte er und erwiderte "Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Chef, es wird nicht wieder vorkommen". "Das Elend nimmt einfach kein Ende" dachte der Küchenchef und schmiss vor lauter Wut und Enttäuschung sein Küchentuch, welches er sich zuvor sorgfältig an seine Schürze geknotet hatte, auf den Boden und verließ die Küche.

[Daniel FR]

"Die Küche bleibt heute kalt! Wir gehen auswärts essen."
Immer wenn ich diese Worte hörte, wusste ich, dass Mutter beim Bingo eine Serie gehabt hatte. Gerne ging sie dann zum Griechen um die Ecke. Sie nannte ihn immer Luigi, obwohl er bestimmt Stavros hieß. "Luigi, " pflegte sie zu ihm zu sagen, "tische uns das Gute vom Grill auf und mach es uns gemütlich!" Und Stavros lieferte. Schweinespieße, Lammkoteletts, Schweineleber, Schweinebifteki, Lammfilets und nöcher. Ich persönlich genoss immer sehr den öltriefenden, knoblauchschwangeren Tomatenreis, der in perfekten Halkugeln den Fleischberg auf der Servierplatte umragte wie Wachtürme ein Internierungslager. Nach dem Essen hingen wir dann träge in den Seilen, bis Stavros uns mit gratis Ouzo aus dem Fresskoma erlöste. Auch uns Kinder. Irgendwie waren das immer schöne Abende. Ich gehe immer noch gerne griechisch essen.

[Jambo]

"Isch essen gärne! Vie-el!" wiederholte Senior Wolfgang, der schlicht Wolfer genannt werden möchte, seinen knalligen Eisbrecher langsam, deutlichst, sich grinsend den Bauch reibend. Endlich bot ein wenn auch vorsichtiges Lächeln ein wenig Ablenkung von den weiterhin fragenden Augen. Man muss zufrieden sein, mit dem, was man kriegt - heutzutage. Mila hatte zwar im Rahmen ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin eifrig deutsch gepaukt, aber solch Dialekt war ihr nicht bekannt aus Unterricht oder schwarzkopierten Hörproben des Sprachlabors.

[Daniel FR]

"Ach, La Borschtschewa ist auch wieder da!". So unbeeindruckt kommentiert Seraphina-Iowa die Anwesenheit ihrer größten Konkurrentin in Sachen Aufsehen erregen, während sie an der Garderobe des aufregendsten interslawistischen Debattierclubs in Downtown Niederfrechen ihren im angesagten Shabby-Look vorfabrizierten NVA-Parka gegen einen irisierenden siebeneckigen Abholchip eintauscht. Ihre beflissenen Huldigerinnen Epigona und Copy Cat nicken einhellig und linsen verstohlen zu der illustren Reizschemaforscherin hinüber, die sich elegant hingeworfen auf einer ledrigen Couch in der Juroren-Lounge breitmacht.

[KRI]

Achtsamkeit hier könnte jetzt ein Text stehen, verstehe aber nicht wieso.

[Daniel FR]

"Nicht, wieso etwas nicht funktioniert, ist entscheidend, sondern, wer damit scheitert."

Schon immer hatte Kurt-Rüdiger Gibbons ein besonderes Faible für verzwickte VWL-Theorien besessen, aber an dieses aberwitzige Zitat aus dem gut abgehangenen Schinken "Meine Lehr-und Wanderjahre als Femme Fatale der Schützenfeste", dem Buch, das Epigona Karrenschmitt-Günzelberg zum Fanal der Bewegung der RPU*-Visionärinnen gemacht hatte, zu denken, bereitete ihm dermassen abartige Extaseschübe, dass er nicht anders konnte, als sein stramm sitzendes pinkes Gängelhöschen von innen zu befeuchten.

* RPU = reciprocal pick up