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Ich persönlich zähle mich zu dieser Kategorie von Spielern: gut ausgebildet, aber in ihren bisherigen Klubs meist etwas hinten dran. Genau wie auch Christian Lell beim FC Bayern. Bei Hertha sollen wir aber Anführer sein, das wird von uns verlangt, zu solchen wurden wir ausgebildet. Ja, man kann sagen, dass Hertha auf eine ganz neue Weise ein „Ausbildungsverein“ geworden ist. Ich blicke zurück auf eine Saison, von der ich glaube, dass ich mit meiner Art und Philosophie von Fußball etwas bewegt habe: Ich bin immer an meine Leistungsgrenze gegangen, um diese ominösen 110 Prozent zu erreichen. Das sind wir jedem Stadionbesucher, der auch nur einen Cent ausgibt, schuldig. Aber auch uns selbst. Der Leitsatz von mir und meinem Bruder Bernd, zu dem ich ein sehr enges Verhältnis habe, lautet so: Mehr kannst du nicht geben – weniger darfst du nicht geben.
Mental hat mich mein erstes Jahr bei Hertha definitiv stärker gemacht. Das ist mit Markus Babbel auch einem Trainer geschuldet, der auf mich setzt. Ich habe wieder mehr Spaß am Fußballspielen, denn es ist wie in jedem anderen Beruf auch: Wenn deine Arbeit honoriert und geschätzt wird, erreicht man das nächste Level seines Könnens.
Ich habe mich menschlich auch in Bremen wohl gefühlt; die viel zitierte Werder-Familie – es gibt sie wirklich. Aber den Unterschied zu Hertha habe ich schnell festgestellt: Hier gehöre ich zu den Spielern im Team, von denen erwartet wird, dass sie auf dem Platz eine Position einnehmen, die ich bei Werder nur von Weitem gesehen habe, wenn Torsten Frings gespielt hat. Dieses Wissen hat mich unglaublich motiviert. Indem ich zunächst nur für dieses eine Jahr an Berlin ausgeliehen war, hatte ich mir ursprünglich vorgenommen, mich natürlich mit Hertha zu identifizieren. Aber es – wozu ich nämlich neige – emotional nicht zu stark an mich heranzulassen, wenn es mal nicht laufen sollte. Im Rückblick kann ich sagen: Das ist mir total misslungen. Ich habe mit dem Schicksal gehadert, wenn mal was nicht wie gewünscht geklappt hat. Weil ich mir eine Position erarbeitet hatte, die ich mir so vorher nicht erträumen konnte – und die ich nun nicht wieder verlieren wollte. Ich sage es ganz deutlich: Ich möchte den Stellenwert, wie ich ihn bei Hertha habe, nicht mehr missen. Ich musste dafür einen Schritt zurück machen in die Zweite Liga. Aber längst habe ich seitdem wichtige Schritte nach vorne gemacht. Ich habe in Berlin mein fußballerisches Glück gefunden.
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