"Mit Scharf?" oder "Mach mal."
Ein jeder kennt die Situation. Du warst mit deinen Kumpels in der Stammkneipe, um über typische Männerthemen wie Fußball, Oberweite der Bedienung oder auch die Symbolik des Seins aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu philosophieren, als Bolle auf die Idee kommt, gehäckseltes Kleinfleisch im Backwerk in die Figur zu ferkeln.
Ohne vorheriger Routenberechnung geht es also zur besten Dönerbude der Stadt. Man sollte hier erwähnen, dass die naheste Dönerbude situativ immer auch die beste ist.
Man torkelt also in die gekachelte Verkaufshöhle, zupft sich eine Dose Hopfenkaltschale aus dem gekühlten Glasschrank und verbalisiert lauthals den Wunsch von totem Fleisch im Brot an den anatolischen Fleischereifachverkäufer: "Mama Döner."
Und genau an diesem Punkt kommt die Frage, deren Antwort unmittelbaren Einfluss auf deine nächsten 24 Stunden nimmt:
"Du wolle schaf?"
Nur für den Leser: mit Pulloverschweinen bzw. Wollmopeds hat die Frage nichts zu tun, auch wenn die durchaus verwirrende Schreibweise hierzu Indizien liefert.
Der freundliche messerschwingende Verkäufer möchte mit dieser Frage "Du wolle schaf?" lediglich in Erfahrung bringen, wie sehr er durch hinzufügen einer Sauce mit hoher Scoville deine Geschmacksnerven betäuben darf.
Hier nun die möglichen Antworten inkl. der daraus folgenden Konsequenzen:
Du sagst: "Nix schaf!"
Deine Kumpels betiteln dich als Ballerina und suchen deinen Tü-Tü im Kühlschrank und auf der Straße.
Resultat: du genießt jetzt deinen Döner.
Konsequenzen: keine negativen, du bist satt und freust dich auf den verdauungsfördernden Morgenkaffee 12 Stunden später.
Du sagst: "Alda, bisschen schaf."
Deine Kumpels pfeiffen höhnisch und brüllen, dass die Eisprinzessin heute mal RICHTIG hart drauf ist.
Resultat: nach dem ersten Bissen bilden sich Schweißtropfen auf der Stirn und du bewegst dich unauffällig zum Kühlschrank, weil du plötzlich wieder "voll Durst" hast, obwohl du eben bei Uschi kein Bier mehr wolltest.
Konsequenzen: nach dem ersten Morgenfurz machst du einen Gedächtnisvermerk, erst die Feuchtetücher zu checken, bevor du den Adlerhorst besuchst.
Du sagst: "So mittel." und machst dabei eine kleine Hin-und-Her-Bewegung mit deiner Hand.
Anatoli macht ein ausdrucksstarkes Gesicht ähnlich wie Chuck Norris, wenn er traurig, lustig oder sauer ist.
Deine Kumpels halten sich die Leisten vor lachen und verspotten dich mit Ausrufen wie: "Die Pussi hat Angst vor morgen!" oder "Na? Ist die Penatencreme alle?"
Resultat: nach dem ersten herzhaften Abbeissen ziehen sich gleichzeitig Zungen- und Schließmuskel zusammen und du überlegst, mit welchem Körpelteil du jetzt lieber zuerst in die Tiefkühltruhe springen möchtest: Köpper oder Arschbombe.
Konsequenzen: nach dem Erwachen kann man im Schlafzimmer bereits riechen, worauf es hinaus läuft und du legst dir Kühlpacks bereit. Zudem formst du einige Feuchtetücher ergonomisch und frierst sie in dieser Form ein. Nach dem Kaffee am Morgen hoffst du, dass dir lediglich eine brennende Wunderkerze im Rektum steckt.
Deine Antwort: "Gerne scharf."
Deine Kumpels nicken anerkennend und winken wortlos vorbeigehende Passanten herbei, die nach einem Statusupdate beginnen, miteinander zu tuscheln. Kinder und Kleinwüchsige werden nach vorne gelassen, einige mitdenkende Schaulustige wählen am Handy bereits die 112 vor, mit den Zeigefinger über dem grünen Hörer verweilend.
Bereits während du dir den Döner zum Mund führst, kräuseln sich deine Nasenhaare und deine Schleimhäute gehen auf Gefechtsstation. Anatoli bittet um das Unterlassen von Rauchen, Feuer und offenem Licht.
Du beißt ab und versuchst, nicht auszusehen wie Gene Simmons in seiner Lieblingspose. Anatoli legt ein Brett und einen Hammer bereit, um deine Mandeln wieder rein zu schlagen.
Jedenfalls wirst du auf einem Auge blind und betest darum, dass die Hose hält.
Konsequenz: du brauchst keinen Kaffee am Morgen, es klappt auch so. Beim Eimern klopfen die Nachbarn mit Besen an Wände und Decken und stellen Anzeige, es würde im Haus ein inoffizieller Schlachtbetrieb geführt. Du würdest deinen Unterboden am liebsten mit einem Flutschfinger aus den 80ern kühlen oder ohne Kleidung und Schlitten sitzend einen Gletscher runter schliddern. Dein Anus sieht vor deinem geistigen Auge aus wie die Schrotflinte von Elmar Fudd, nachdem Bugs Bunny eine Karotte reingesteckt und du abgedrückt hast. Du kannst lediglich drei Farben unterscheiden und hörst nur noch ein monotones Rauschen.
Deine Antwort: "Mach mal. Ich vertraue dir."
Deine Kumpels reißen die Augen auf und appelieren an deine Vernunft, du sollest dein Leben nicht weg werfen.
Anatoli ruft seine Frau, sie solle die Spezialsauce von Omama holen. Anschliessend brauche er einige Handtücher und warmes Wasser. Den Laden solle sie für heute schließen.
Liebe Leser, morgen werde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Man rät mir zu Sitzbädern und ich solle nur tupfen und nicht wischen.
Anatoli hat mir einen Sitzkringel gebracht. Er ist ein fairer Verlierer.