Fankurven sind so wie ich sie gerne wahrnemen würde chaotisch und gleichzeitig ein Ort der Freiheit. In gewisser Weise durch das Erlebnis der Masse fast in utopischem Sinne. 90 Minuten kann man sich als das verstehen was man möchte und dabei trotzdem Teil von etwas sein. Die Regeln werden (scheinbar) aufgelöst, positive Anarchie. Das ist doch Teil der euphorisierender Wirkung, die man dort erleben kann.
Für mich ist es ein schmaler Grat, der dazwischen liegt, ob als "Wand" ein Lied gesungen wird, weil es spontan dazu kam oder weil man aus Lautsprechern dazu aufgefordert wird, mit der Zeilsetzung gemeinsam eine Sache groß zu machen, die man in ihrer Abstraktheit viel zu schnell als Projektionslfläche für die eigene Identität missverstehen kann. Es gab beim Fußball schon immer junge, energiegeladene Männer, denen es, verunsichert und suchend, sehr entgegenkommt dieses Gebilde Werder als etwas zu nehmen, das ihnen einen Sinn gibt, etwas wofür sie einstehen und andere nicht, das sie im Zweifel auch verteidigen können. Für das man sich dann auf nem Parkplatz zum Prügeln trifft oder wegen dem man "gegnerischen" Fans die Schals abnimmt. Einfach ein klare Idee davon was ich/wir und du/die sind.
Ich war vielleicht mal selber mehr in die Richtung unterwegs, aber ich verstehe die Kurve ausdrücklich nicht als so etwas, sondern als etwas positives. Ich neige dazu mich mit gegnerischen Fans zu verstehen und das ganze nicht todernst zu nehmen. Wenn ich Stadien wie Dresden oder Rostock sehe wird mir schlecht. Gleichgeschaltete Kurven. Wenn man sieht welche Massendynamiken da wirken, kommt mir dieser Begriff unweigerlich in den Sinn.
Der Bruch, der sich zwischen Oberrang, Normalos und Ultras gebildet hat, zieht sich mMn unbewusst auch entlang dieser Unterschiede.