Es ist mir schon ein paar Mal passiert, dass ich hier etwas niederschreiben wollte aber nie den passenden Thread dafür gefunden habe.
Dinge die mich weder freudig noch traurig oder wütend stimmen. Auch nichts politisch bewegendes sondern eben Alltagskram, der mich nachdenklich macht oder der mich beschäftigt.
Sollte es so einen Thread schon geben, gerne dahin verschieben
Was mich heute Abend sehr beschäftigt war eine Begegnung am späten Nachmittag.
Ich hab meinen inneren Schweinehund überwunden und bin raus in die Sonne gegangen. Mit einem guten Buch und einem Kakao bewaffnet bin ich an die Untertrave gegangen (Ein Flussteil, de unsere Altstadt umschließt. Dort gibt es spät noch Sonne, Bänke und einige Restaurants. Ganz nett gemacht). Da keine der steuerfressenden Holzbänke frei war setzte ich mich an die Kaimauer und widmete mich meinem Buch (Star Wars falls es wen interessiert).
Nach einiger Zeit hörte ich von hinten ein "Soll ich euch ins Wasser schubsen?" (etwas weiter neben mir saß noch ein Mädchen mit Buch). Keine von uns reagierte und ich dachte mir auch nix weiter dabei.
Aber ich hörte die Stimme immer wieder von hinten. Nich an mich gerichtet... an alle anderen die grade da waren. Er schnorrte auf eine unbeholfene, nette und strange Art Passanten an. Viele lachten, aber kaum jemand gab ihm was. Aber er sprach auf seine Art auch einfach so Leute an. z.B. neben ihm auf der Bank saßen 3 Teenies. Als diese dann gingen meinte er 'Ihr könnt noch nicht gehen. Bleibt doch noch ein bisschen hier.' vorher aber kein Wort mit den Dreien gewechselt. Anderes Beispiel... An ihm gingen 2 Mädchen vorbei. Er rief ihr hinterher 'Ich mag deine Haare.' Sie reagierte wenigsten mit 'Danke.' Er dann 'Dieses Kupferschwarz steht dir wirklich gut.' Ich drehte mich um und sah, dass sie hellblond war. Aber es klang gar nicht böse oder verarschend sondern irgendwie ehrlich/naiv/kindlich. Seine Art finde ich sehr, sehr schwer zu beschreiben.
Naja, es verging einige Zeit. Er sprach weiter Leute an. Auch ein paar Typen, die es sich mit ihrem Bier bequem gemacht haben. Deren Reaktion war ein nicht sehr nettes 'Verpiss dich, Digga.' Da tat er mir schon ein wenig leid. Er war weder aggressiv noch aufdringlich sondern nur anders.
Irgendwann kam er zu mir und fragte ob ich laut vorlesen würde. Ich verneinte. Er ging zu dem Mädchen neben mir und frage ob er sich zu ihr setzten dürfte. Auch da holte er sich ein Nein ab. Also kam er noch mal zu mir und fragte ob er sich zu mir setzten dürfte. Ich zögerte kurz und sagte, dass er sich setzten solle.
Ich versuchte weiter zu lesen, aber so wirklich gelang das nicht. Wir unterhielten uns kurz über das Buch. Und er sagte, dass ich ruhig weiter lesen solle. Er unterhielt sich mit den Enten und immer wieder mal mit mir. Er fing an zu singen. Zumindest den ersten Titel kannte ich und sang ein bisschen mit. Er sang noch schiefer als ich. Aber ihn störte das gar nicht. Wie gesagt, es hatte irgendwie was kindliches, leichtes an sich.
Wir unterhielten uns über dies und das. Er erzählte mir, dass er grad die Strandpiraten liest und wenn ich morgen um 18 Uhr komme, dann liest er mir vor. Ich war etwas verwirrt. Nicht nur von ihm, auch von mir. Normalerweise bin ich sehr verschlossen wenn mich Fremde anquatschen. Deswegen antwortete ich dass ich arbeiten müsse. Er trug eine Art Skibrille mit rot orangenen Sichtfeld. Er fragte ob er sie abnehmen soll. ich meinte nur, wenn es ihm gefällt solle er sie doch tragen. Er behielt sie auf.
Er kam darauf zu sprechen warum er schnorrt. Er bräuchte ein Hotelzimmer. Er hat noch keine Wohnung. Und verwies auf die Koffer, die etwas weiter weg standen. Ich war verwundert. Er erzählte, er wäre mit dem Taxi gekommen und hätte dann alles hier runter getragen.
Irgendwie konnte ich da nicht weiter nachfragen....also von mir aus. Wir unterhielten uns noch ein wenig bis mir kalt wurde. Als ich sage ich wolle langsam mal los meinte er 'Ja langsam. Das ist ja noch nicht jetzt. Ich bring dich auch nach Hause. Aber weil du noch nicht jetzt los gehst kannst du dir das ja noch mal überlegen.' Ich schmunzelte nur und blieb noch ein Weilchen.
Zum Abschied gab ich ihm mein Kleingeld (Wäre der 20er in meiner Geldbörse nicht geliehen gewesen, er hätte ihn wohl von mir bekommen). Er sagte 'Hab ich mir das Geld jetzt verdient? Aber du arbeitest doch dafür....Sind wir jetzt Freunde?... Die Macht sei mit dir.' Er winkte mir noch ein Weile hinterher - ich drehte mich noch ein paar Mal um zum winken.
Auf dem Heimweg hab ich mich komisch gefühlt....eigentlich hätte ich ihn gerne mit nach Haus genommen, was zu Essen gekocht und in die Dusche gestellt (er roch nicht unangenehm, aber man sah schon dass die letzt intensive Wäsche etwas her war). Aber für mich war es schon so ein großer Schritt, dass ich mich mit einem Fremden beschäftigt habe ohne mich unwohl zu fühlen.
Und ich muss immer noch an ihn denken. Frag mich ob er noch einen Ort zum schlafen gefunden hat. Wie es bei ihm wohl weiter geht. Wie es dazu gekommen ist, dass es ist wie es ist. Usw.
Ich hätte ihm gerne geholfen... weiß aber gar nicht wie. Ich überlege, da morgen noch mal vorbei zuschauen. Mit einem eigenen Kakao für ihn. (Er hat die letzten Schlucke von meinem bekommen, da er so gerne welchen wollte)
Ich glaube auch nicht, dass es irgendwie geschauspielert war um an Geld zu kommen. Dafür war es zu abgedreht. Stimmlich erinnerte er mich an einen Poetry Slamer.... falls ich der Stimme begegne reiche ich sie nach.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.....