Zitat von
Jambo
Ein Umstand, den ich als Frühaufsteher ungemein zu schätzen weiß, ist die absolute Ruhe am frühen Morgen. Niemand geht einem auf die Ketten, das Bad ist nicht ständig belegt durch die ach so lieben Mitbewohner. Man kann alles genau so erledigen, wie man es für richtig hält – in einem Tempo, das man sich frei wählen kann.
So auch der Beginn des heutigen Tages. Um knapp nach Fünf war ich soweit klar mit Duschen und Frühstück, um mich der Wäsche zu widmen. Also alles Dunkle in den Korb und ab in den Waschkeller. Tür auf – Schock! Irgendwer hockt dort, kommt gar auf mich zu. Ich als eh schon hektischer Mensch krieg leicht Panik – werd auch etwas ungehalten – bereite mich alternativ schon auf was Grobes vor.
Eine Minute später ist alles schnell geklärt. Ein selbst recht erschrockener Mann ohne Obdach hat halt offene gelassene Türen des Hauses und Kellers genutzt, um sich etwas Ruhe und Wärme zu gönnen. Nachdem ich mich etwas beruhigte und mir vor allem bewusst wurde, daß er ein ganz umgänglicher Mensch zu sein scheint – klar bei Verstand, gar nicht allzu ungepflegt, vor allem auffallend höflich – kommen wir etwas ins Gespräch. Anstatt sich von mir verscheuchen zu lassen, überrede ich ihn, einfach noch zu bleiben – verzichte auf mein Waschprogramm, daß er noch etwas Ruhe für sich hat – versichere ihm, nix zu verraten.
Alles klar, Haken dran - schnell zurück zur Wohnung. Aufgaben im Haushalt gibts eh genug, die auf Erledigung warten. Nach und nach komm ich dann aber doch ins Grübeln und lässt mich auch gar nicht mehr los. Immer klarer wird mir, daß der Tag für mich echt mies wird (Wie mies wohl seine Tage sind?), wenn ich nicht doch nochmal runterschau, mal nachfrag, wies ihm geht, ob er was braucht. Aus dem Schrank kram ich flink noch Eß- und Trinkbares zusammen – sollte reichen fürs Erste.
Unten angekommen ist man erstaunt über meine Wiederkehr. Ich bin willkommen! Meine Mitbringsel scheinen von Interesse zu sein, also verwehre ich entschieden jegliche Ablehnung. Wir einigen uns auf die Hälfte. Ein einfaches Danke reicht völlig, weiteres Rumgeschnulze gelingt mir schnell wegzuwischen. Ich tue es ja schließlich um meiner selbst Willen – wenn irgendwer von profitiert, um so besser. Die Einstellung gefällt ihm.
Eine dreiviertel Stunde unterhalten wir uns über dies und das – nix Spezielles, lockerer Smalltalk. Ich setz mich zu ihm. Er weiß auffallend sich auszudrücken, scheint wohl mal studiert zu haben. Sehr interessiert, dieser Mensch! Etwas unaufgeräumt zwar auf eine Art und Weise, die sich häufig bemerken lässt bei Menschen, die zu viel Zeit mit sich allein verbringen - dennoch sehr anschaulich, teils gar tief tauchend. Beim Thema Gesellschaft wird ein Schicksalsschlag angedeutet. Aha! Themenwechsel zu Technologie und Forschung, später zu Anderem. Okay, die Zeit wird knapp, ich muss dann leider los – mein Tagwerk vollbringen. Es wird sich noch schnell vorgestellt (Komplett vergessen, ich Trottel!) und ein nächstes Treffen vereinbart, zu dem ich ihm verspreche, die übrigen Viktualien, die er heut nicht schleppen mag, mitzubringen.
So liebe Gemeinde – wie ihr sicher bemerkt, komm ich nicht so recht los von dem Erlebnis. Nicht nur, daß ich mir hier den ganzen Text aus dem Hirn schmier – so recht konzentrieren auf meine eigentlichen Aufgaben will mir auch grad so absolut garnicht gelingen.
Hat denn jemand diesbezüglich Erfahrungen und mag mir womöglich die ein oder anderen Tipps geben? Für das anstehende Treffen überlege ich nämlich schon jetzt recht intensiv, ob ichs einfach mal auf mich zukommen lasse oder doch lieber vorher ein paar klare Vorstellungen entwickle, möglicherweise gar mir selbst ein paar Grenzen setze. Ein wenig habe ich nämlich schon die Befürchtung, mich zu sehr darauf einzulassen, zu sehr davon in Beschlag genommen zu werden.
Ist es besser, bewusst alles beim Smalltalk zu belassen oder soll ich den Versuch starten intensiver seinen Alltag zu erforschen, um auch effektiv helfen zu können? Ihm ab und an etwas zukommen zu lassen sollte ja erstmal kein Problem bedeuten. Schon eher, ob ich ihm zukünftig bei Bedarf den Zugang zum Waschkeller des Mietshauses ermögliche. In die Wohnung ist ausgeschlossen – aus verschiedenen Gründen.
Oder vielleicht hat ja wer sogar eine Idee, wie der Mensch nachhaltig unterstützt werden kann? Was mir selbst nicht möglich ist, kann ja auch delegiert werden?